Geflohen statt bezahlt

Heute findet der Dienstags-Krimi für einmal nicht am Abend im Fernseher statt. Sie können ihn bereits am Morgen in der Zeitung lesen.

Drucken
Zechprellerei kann sowohl bei Übernachtungen, aber noch mehr bei Konsumationen im Gastgewerbe der Fall sein. (Bild: Christiana Sutter)

Zechprellerei kann sowohl bei Übernachtungen, aber noch mehr bei Konsumationen im Gastgewerbe der Fall sein. (Bild: Christiana Sutter)

Heute findet der Dienstags-Krimi für einmal nicht am Abend im Fernseher statt. Sie können ihn bereits am Morgen in der Zeitung lesen.

Vor zwei Wochen versetzte ein Chinese das obere Toggenburg in Aufruhr. Er schrieb sich jeweils in mehreren Hotels nacheinander für zwei bis drei Übernachtungen ein und verliess dann die Zimmer klamm heimlich, ohne die Rechnungen zu begleichen. Gemäss dem stellvertretenden Mediensprecher der Kantonspolizei St. Gallen, Gian-Andrea Rezolli, ist Zechprellerei in der Schweiz ein Straftatbestand, der mit Freiheitsentzug oder einer Geldstrafe gebüsst werden kann.

Verbrecherjagd im Dorf

Am Freitag, 15. Februar, nahm diese Geschichte ihren Anfang. Ein Chinese traf mit seinem Handgepäck im Hotel Sonne in Wildhaus ein. An der Rezeption buchte er von Freitag bis Sonntag ein Zimmer. Normalerweise schreiben sich ankommende Gäste bei der Ankunft ein und geben einen Ausweis zur Kontrolle ab. «Der Chinese sagte, dass sich der Ausweis im Koffer befindet und er ihn später vorbei bringen würde», sagt Paul Beutler, von den Beutler Hotels. Der chinesische Gast sei ihnen jedoch von Anfang an etwas mysteriös vorgekommen. Als er dann am Sonntagmorgen nicht zum Frühstück erschienen sei, suchte ein Angestellter des Hotels das Zimmer auf. Dabei stellte er fest, dass das Zimmer leer war. «Der Gast hat sich ohne zu bezahlen aus dem Staub gemacht», sagt Paul Beutler. Er wies seine Tochter Petra Federer am Sonntagmorgen an, alle Hotels in der Gemeinde anzurufen. Sie beschrieb den anderen Gastgebern den flüchtigen Gast mit der Bitte, sofort anzurufen, sollte er auftauchen. «Eigentlich hatten wir an diesem Sonntag keine Zeit, für eine Verbrecherjagd, denn es war einer der sonnigen Wintertage in dieser Saison.» Am Nachmittag erhielt Paul Beutler einen Anruf von Anna Schlumpf, der Gastgeberin des Hotels Schweizerhof in Alt St. Johann. Sie teilte ihm mit, dass der Chinese bei ihnen gewesen sei. Paul Beutler stieg in sein Auto und fuhr nach Alt St. Johann. Dort fuhr er mehrere Male durchs Dorf.

Falsche Angaben

Ungefähr zu derselben Zeit meldete sich Helga Taibinger vom Hotel Hirschen in Alt St. Johann bei Paul Beutler und informierte ihn, dass der Chinese auch bei ihr flüchtig sei. «Bei uns hat er für drei Nächte gebucht, das war am Samstag», sagt sie. Bei seiner Ankunft habe er noch zu Mittag gegessen und sich das Essen auf die Rechnung des Zimmers schreiben lassen. «Er war sehr freundlich und korrekt. Bei der Ankunft hat er das Formular mit seinen persönlichen Angabe inklusive der Passnummer ausgefüllt.» Nachträglich stellte sich heraus, dass alle Angaben falsch waren. Auch die Taibingers haben am Sonntagmorgen bemerkt, dass der chinesische Gast nicht zum Frühstück erschien. «Zum Glück war mein Neffe da. Er hat mich aufs Zimmer begleitet.» Sie haben dann festgestellt, dass er verschwunden war. «Ein Hut, die Zahnbürste und einige Kleidungsstücke waren noch da», sagt die Gastgeberin. In der Zwischenzeit traf der Zechpreller im Gasthaus zum Schäfli in Alt St. Johann ein, um dort ein Zimmer für mehrere Nächte zu buchen. «Das war am Sonntagnachmittag», sagt Jolanda Koller. Der Seniorchef, Sepp Koller, hat sofort im Hotel Sonne angerufen. Paul Beutler wies ihn an, den flüchtigen Chinesen festzuhalten. Petra Federer alarmierte in der Zwischenzeit die Polizei. «Ich fuhr sofort ins <Schäfli>», sagt Paul Beutler. Dort hat Sepp Koller junior dem chinesischen Gast im Nebenhaus eine Suite gezeigt, damit er noch mehr Zeit herausholen konnte. Im Gasthaus zum Schäfli nahm Paul Beutler den säumigen Zahler in Empfang. Ohne Widerstand stieg der säumige Zahler in das Auto von Paul Beutler ein und fuhr mit dem Hotelier nach Wildhaus. Der Chinese versprach dem Hotelier, die offene Rechnung mit einer Kreditkarte zu bezahlen. «Das war irgend eine Fälschung, die nicht funktionierte», sagt der Hotelier.

Chinese ausser Atem

Plötzlich rannte der Chinese aus dem Hotel, sprang bei der Post Wildhaus über die Mauer und überquerte die Strasse in Richtung Restaurant Bellevue. «Ich stieg ins Auto und versuchte zu folgen, das war aber aussichtslos.» Beim Hotel Bellevue rannte der Chinese im Tiefschnee die Wiese hinunter in Richtung Munzenriet. «Beim Restaurant Bellevue standen ein paar Verkehrskadetten. Einer folgte dem Flüchtenden sofort», sagt Paul Beutler schmunzelnd. «Ich habe hinterher gerufen: <Polizei, Polizei>». Da es der Chinese nicht gewohnt war im Tiefschnee zu laufen, musste er sich ausser Atem geschlagen gegeben. Der Verkehrskadett stellte den Zechpreller, der keinen Widerstand mehr leistete, und brachte ihn zurück ins Hotel. «Dort habe ich meine Deutsche Schäferhündin Nora neben ihm plaziert, die hat dem Chinesen wohl Eindruck gemacht», erzählt Paul Beutler schmunzelnd. Der Verkehrskadett, ein Polizeiaspirant, und Paul Beutler blieben beim Chinesen bis die Polizei eintraf.

Alarmsystem hat funktioniert

Zechprellerei sei eigentlich selten, sagt Paul Beutler. In den letzten 35 Jahren sei es bei ihm ungefähr fünfmal vorgekommen. Dass es selten vorkommt, bestätigen auch Helga Taibinger vom Hotel Hirschen und Jolanda Koller vom Gasthaus zum Schäfli. «Es gibt aber immer wieder professionelle Hotelbetrüger, die der Polizei bekannt sind», sagt Paul Beutler. Dies seien meistens Schweizer.

Auch Gian-Andrea Rezolli sagt, dass es immer wieder Zechpreller gibt. «Sie verhalten sich meistens sehr natürlich und fallen nicht auf.» Sollte aber ein schlechtes Gefühl bei einem Gastgeber aufkommen, soll die Polizei alarmiert werden. Es sei wichtig, dass die Ausweise der Gäste zusammen mit dem Meldeschein kontrolliert werden. «Für alle Beteiligten ist es in einem solchen Fall hilfreich, wenn eine genaue Personenbeschreibung abgegeben werden kann.» Dass das so ist, bestätigen alle Beteiligten, die in diesen Vorfall verwickelt waren. «Super war auch, dass wir von Paul Beutler über die Person informiert wurden. Das Alarmsystem unter den Gastgebern hat funktioniert», sagt Jolanda Koller.

Christiana Sutter