Gedenkfeier
«Die Zahnpasta bringen wir nicht mehr in die Tube»: Friedensglocke-Gedenkfeier in Heiden gegen den Einsatz von Atomwaffen

Jedes Jahr am 9. August wird die Friedensglocke vor dem Henry-Dunant-Museum geläutet. Sie soll an die Folgen des Atombombenabwurfs in Nagasaki 1945 erinnern. Rund 120 Personen waren an der Gedenkfeier zugegen.

Astrid Zysset
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Jeder der Anwesenden durfte die Friedensglocke erklingen lassen.

Jeder der Anwesenden durfte die Friedensglocke erklingen lassen.

Bild: Astrid Zysset

Jedes Jahr erklingt sie, die Nagasaki Peace Bell auf dem Vorplatz beim Henry-Dunant-Museum in Heiden. Die Friedensglocke ist eine von fünf Kopien jener Angelus-Glocke, die den Atomabwurf auf die japanische Stadt am 9. August 1945 um 11.02 Uhr unbeschadet überstanden hatte. 2010 wurde sie dem Museum überreicht.

Andreas Ennulat, Präsident des Vereins Henry-Dunant-Museum, sprach am Mittwochmorgen anlässlich der öffentlichen Gedenkfeier von einer Erinnerung an die Opfer und einem Mahnmal zugleich, dass das Läuten der Glocke darstelle. Nebst der Gefahr, die von Atomwaffen ausgeht, dürfe auch das aktuelle Kriegswirren in der Ukraine nicht aus dem Fokus geraten. Alleine im letzten Jahr verloren dort rund 80’000 Menschen ihr Leben.

Ein Grusswort überbrachte Othmar Kehl von der Vereinigung «Ippnw», Ärztinnen und Ärzte für soziale Verantwortung und zur Verhütung eines Atomkrieges. Dieses hielt er kurz und nutzte die Gelegenheit, um den Bundesrat aufzurufen, den vom Parlament bewilligten Atomwaffenverbotsvertrag «endlich zu unterzeichnen». Ein Verbot des Einsatzes von Atomwaffen ist eines der zentralen Anliegen der Feier.

Die Gefahr der Atomwaffen ist allgegenwärtig

Gastredner war in diesem Jahr der neu gewählte Gemeindepräsident von Heiden, Robert Diethelm. Diethelm war unter anderem für die UNO in Bosnien und als stellvertretender Direktor des Internationalen Minenzentrums in Genf tätig. Er erinnerte in seinen Ausführungen an die Anfänge der Atombomben. An die Entwicklung vor, während und nach dem zweiten Weltkrieg. Schon damals habe man aufgrund der Auswirkungen der Atombomben Angst gehabt. «Aber wie man weiss, bringt man die Zahnpasta nun mal nicht wieder zurück in die Tube», so Diethelm.

Robert Diethelm, Gemeindepräsident von Heiden, war diesjähriger Gastredner.

Robert Diethelm, Gemeindepräsident von Heiden, war diesjähriger Gastredner.

Bild: Astrid Zysset

Mit Verträgen zwischen den Staaten wird seitdem versucht, den Einsatz solch nuklearer Waffen einzudämmen. Diethelm sprach vom Atomwaffensperrvertrag, der nach der Kubakrise aufgesetzt wurde, und unter anderem auch vom Atomwaffenverbotsvertrag, der 2021 von 68 Staaten ratifiziert wurde. Nichtsdestotrotz sei die Gefahr allgegenwärtig. So sei China beispielsweise aktuell daran, nuklear aufzurüsten. «Wir bringen die Zahnpasta zwar nicht zurück in die Tube, aber wir müssen wissen, wie wir mit ihr umzugehen haben», so der Heidler Gemeindepräsident weiter. Es brauche öffentlichen Druck auf die Atomkräfte, Kritik an China und Veranstaltungen wie die Gedenkfeier in Heiden, um die Auswirkungen der Atomwaffen zu diskutieren. «Nur so hat die Erinnerung an die Opfer einen zukunftsgerichteten Sinn.»

Viele unschuldige Opfer

Die Forderung nach atomarer Abrüstung wurde an diesem Mittwochmorgen mehrfach ausgesprochen. Das deutlichste Zeichen war aber das Läuten der Glocke selbst. Die rund 120 Anwesenden der Gedenkfeier schritten nach der Feier einzeln zur Glocke, zogen am Seil und liessen so minutenlang eine Erinnerung an eine der grössten menschlichen Tragödien erklingen. Rückblick: Die US-amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 waren die bislang einzigen Einsätze solcher Waffen während eines Krieges. Sie beendeten den Zweiten Weltkrieg im asiatischen Raum, kosteten aber mehreren 100’000 Zivilisten das Leben.