Nachdem die Chefärztin und drei Belegärzte am Spital Heiden gekündigt haben und die Frauenklinik auf der Kippe steht, melden sich nun auch die Hebammen zu Wort. Sie schildern ihre Sicht der Dinge.
Karin Erni
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In einer 2016 schweizweit mit 861 selbständigen Hebammen durchgeführten Befragung erreichte das Spital Heiden mit 9,5 von 10 möglichen Punkten den ersten Platz. Dieser durch langjährige Arbeit erzielte Erfolg werde durch die nun eingeschlagene Strategie des SVAR mit einem Schlag zunichte gemacht, sagt die Präsidentin des Hebammenverbands Sektion Ostschweiz, Madeleine Grüninger. Sie findet es unverständlich, wie man überhaupt auf die Idee kommen könne, den Operationsbereich örtlich von der Geburtsabteilung zu trennen. «Das kommt der Amputation eines Fachbereichs gleich. Offensichtlich waren die Erfinder dieser neuen Strategien keine Geburtshelfer. Jeder Fachkundige weiss, wie rasch Situationen in der Geburtshilfe ändern können», so die Hebamme.
Echte Notfälle seien bei Geburten glücklicherweise selten, doch wenn einer eintrete, brauche es besonnenes Handeln von erfahrenen Hebammen, Geburtshelfern, Anästhesisten und OP-Fachleuten. «Genau in diesen Fällen zählt jede Minute. Es spielt eine ganz entscheidende Rolle, wie weit die Anfahrtswege sind, ob das Fachpersonal gerade anderweitig operiert und ob das OP-Team sich im Operationssaal ‹daheim› fühlt.»
Auch wenn die angedachte Situation juristisch vielleicht vertretbar sei, für die Hebammen sei sie unhaltbar. «Für eine individuelle, hebammengeleitete Geburt brauchen wir die Gewissheit, jederzeit ein gut funktionierendes Team im Rücken zu haben», so Madeleine Grüninger. Mit dem Weggang der Ärzte drohe nun das gesamte Geburtshilfe-Boot zu kentern. «Die Hebammen, Wochenbettschwestern und alle guten Feen, die die Gebärabteilung Heiden zu dem gemacht haben, was es ist: das Aushängeschild des Spitals.» Sie hätten das Vertrauen verloren, seien enttäuscht und müssten sich beruflich neu orientieren.
Die gewählte Strategie des Svar sei nicht nur ein Affront für die betroffenen Fachpersonen, sondern eine Tragödie für die Geburtshilfe der ganzen Region. Der Verwaltungsrat habe sich von rein finanziellen Überlegungen leiten lassen. «Die Geburtshilfe im Spital Heiden mag ihren Preis haben, aber sie ist einzigartig», so Grüninger. Sie hätte sich gewünscht, dass die Verantwortlichen gesagt hätten: «Diesen Wert behalten wir, er zeichnet uns aus.» Zudem sei verpasst worden, die Leute miteinzubeziehen, die sich Tag und Nacht für das Wohl ihrer Patientinnen einsetzen würden und in echter Sorge seien, wenn die Situation einmal nicht wunschgemäss verlaufe, ist die oberste Ostschweizer Hebamme überzeugt.