An einem Podium zu Gemeindestrukturen standen die Erfahrungen von fusionierten Gemeinden im Fokus. Ein Wissenschafter riet: Keine Fusionen ohne eine Strategie dahinter.
«Fusionieren ist wie der Gang zum Zahnarzt. Es tut nicht weh und man gewinnt mehr als man verliert.» Dies sagte am Mittwochabend Simon Theus, stellvertretender Leiter des Amts für Gemeinden im Kanton Graubünden, im Rahmen einer von der IG starkes Ausserrhoden organisierten Podiumsveranstaltung. Die IG will auch in Ausserrhoden den Fusionsprozess forcieren. «Doch es läuft schleppend», wie IG-Präsident Roger Sträuli bilanzierte. Der Leidensdruck der Ausserrhoder Gemeinden sei offenbar noch zu wenig gross.
Nebst dem Vertreter aus Graubünden erfuhren die knapp hundert Anwesenden auch anderweitig von positiven Fusionsbeispielen: Anwesend waren Peter Weber, Gemeindepräsident von Mettauertal, Max Widmer, Gemeindeschreiber aus Glarus, sowie Ursin Fetz, Leiter des Zentrums für Verwaltungsmanagement an der HTW Chur. Letzterer hat vorgängig zur Diskussion einen Fusionscheck mit 47 Indikatoren vorgestellt. Sein Fazit: Es gab bislang zu viele technische Fusionsprojekte aus einer Notlage heraus und zu wenige mit einer Strategie dahinter. Am erfolgreichsten seien jene Projekte, bei denen die Gemeinden schon vorher viel gemeinsam machten.
Patrik Kobler, Redaktionsleiter der Appenzeller Zeitung, führte sodann durch die Podiumsdiskussion und leitete das Gespräch von der theoretischen auf die emotionale Ebene. Ob die generelle Zufriedenheit seit der Fusion zu drei Gemeinden im Kanton gestiegen sei, könne nur schwer gemessen werden, sagte Max Widmer, Gemeindeschreiber von Glarus. Dass viele aber immer noch den persönlichen Kontakt suchten, beweise ein Vertrauen in die Behörden. «Gewisse Gegner werden aber bis ans Lebensende nie ein Wir-Gefühl entwickeln.» Das brauche einfach Zeit. Was die Rekrutierung von Behördenmitgliedern betrifft, so ist dies gemäss Widmer auch nach der Fusionierung immer noch schwierig. Das sei aber eher auf die generelle Politverdrossenheit zurückzuführen. Peter Weber, Gemeindepräsident von Mettauertal, hielt fest, dass die Arbeit nach dem Zusammenschluss von fünf Gemeinden spannender geworden sei. Er könne sich jetzt vermehrt auf die strategische Führung konzentrieren. Weber unterstützte die Ausführungen von Ursin Fetz, dass Fusionen einer Strategie bedürfen. Eine solche zu finden, sei aber nicht immer einfach.
Wie viel Geld die Fusionen in Glarus verschlungen haben, konnte Max Widmer nicht sagen. Nur so viel: Gratis seien solche nicht zu haben. Peter Weber meinte, dass bei ihnen der Zusammenschluss wenig gekostet habe. Anschliessend seien aber Begehrlichkeiten gekommen, die ins Geld gingen.
Im Kanton Graubünden führt Simon Theus die Fusionsfreudigkeit der letzten Jahre auf die Erkenntnis zurück, dass man gemeinsam stärker ist. Der Kanton würde solche Veränderungen auch fördern, der monetäre Aspekt sei dabei durchaus hilfreich. Von Patrik Kobler auf die negativen Fusionsfolgen angesprochen, meinte Theus, dies liesse sich nicht pauschal beantworten. Stattdessen unterstrich auch er die Notwendigkeit eines Ziels vor Augen. «Eine Fusion nur des Fusionswillens wegen führt nicht zum Ziel.»
Aus dem Publikum kam schliesslich die Frage nach einem Gemeindeparlament. Er bezweifle, ob eine zusätzliche Ebene immer ein Vorteil sei, so Max Widmer. Ursin Fetz gab zu bedenken, dass mit einem Gemeindeparlament letztlich wieder Rekrutierungsprobleme durch die Hintertür eingeführt würden. Die Angst, wenige starke Gemeindepräsidenten könnten sich zu einer Schattenregierung entwickeln, nahm Max Widmer, indem er darauf hinwies, im Kanton Glarus stelle die heutige Ausgangslage diesbezüglich kein Problem dar.