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Seit eineinhalb Jahren betreibt Ivo Streiff die Non-Profit-Organisation «Food Chat». Sein Ziel ist es, Lebensmittel vor dem Wegwerfen zu retten, die er von Grosshändlern abkauft und an Privatpersonen weiterverkauft. Nun wird er zukünftig auch in Teufen Obst und Gemüse anbieten. Der erste Verkaufstag war ein voller Erfolg.
Der Himmel ist wolkenlos, die Sonne steht hoch über dem Säntis. Es sind angenehme Temperaturen für den Monat März, Frühlingsgefühle kommen auf. Es ist zwei Uhr nachmittags, als ein weisser Lieferwagen auf den Kiesplatz des Zeughausplatzes in Teufen einfährt. Der Anhänger enthält eine grosse Menge an Kisten, gefüllt mit Früchten und Gemüsen verschiedenster Art. Von Brokkoli über Orangen bis hin zu Ingwerknollen – im Sortiment ist für jede und jeden etwas dabei.
Zusammen bauen Ivo Streiff und Andreas Karolin den Verkaufsstand auf: Mit einem Hubwagen werden die Lebensmittelkisten vom Lieferwagen auf den Verkaufsplatz aufeinandergestapelt und ein kleiner Verkaufstisch wird aufgestellt. Wenige Minuten später kommen auch schon die ersten neugierigen Kundinnen und Kunden.
Seit eineinhalb Jahren retten Ivo Streiff, der Geschäftsführer von «Food Chat» und sein Arbeitskollege Andreas Karolin, Lebensmittel vor dem Wegwerfen. Das Obst und Gemüse kauft Streiff von Grosshändlern ab, deren Waren der Grossverteiler aufgrund kleinerer Mängel oder Überproduktion nicht im Laden anbietet. So können einerseits Produkte – die nach wie vor ess- und geniessbar sind – vor dem Abfalleimer bewahrt werden. Andererseits kann der finanzielle Aufwand des Grosshändlers zu einem kleinen Teil gedeckt werden.
Das Konzept ist schon so ausgereift, dass die beiden Teamkollegen bereits 6 Tage die Woche an 14 Standorten in der hiesigen Umgebung ihre gerettete Ware für den Verkauf anbieten können. Streiff sagt:
«Wie die alte Fasnacht, von Dorf zu Dorf.»
Das Sortiment wird an die Warenverfügbarkeit des Grosshändlers angepasst. Rund 80 Prozent der Produkte kämen laut Streiff aus dem Ausland – wie etwa der Ingwer aus Malaysia. Der Rest, zum Beispiel die Kartoffeln, stammen aus der Schweiz. Die Preise liegen dabei 30 bis 50 Prozent unter dem Ladenverkaufswert. Damit die Kundschaft von «Food Chat» jeweils über das aktuelle Angebot informiert ist, kann sie sich der offiziellen Whatsapp-Gruppe anschliessen oder auf Facebook vorbeischauen. Auf Whatsapp sind bereits 6000 Mitglieder beigetreten, rund 200 davon sind aus Teufen.
Nebst der Gemeinde Gais ist seit vergangenem Freitag auch Teufen als Verkaufsstandort in Appenzell Ausserrhoden vertreten. Künftig kann «Food Chat» jeden Freitag ab 14.30 Uhr für rund eine Stunde vor dem Zeughaus in Teufen angetroffen werden.
Der Erstverkauf in Teufen am 11. März startet aber früher als ursprünglich geplant. 30 Minuten vor offizieller Eröffnung kommen schon erste Kundinnen und Kunden, um sich die ausgebreiteten Köstlichkeiten nicht entgehen zu lassen. «Rampe eröffnet!», heisst Andreas Karolin die Kundschaft willkommen.
Der Zeughausplatz füllt sich mit Autos, Neugierige stehen nach wenigen Minuten in einer Schlange vor dem Verkaufstisch. Ivo Streiff und Andreas Karolin nehmen die Wünsche ihrer Kundinnen und Kunden entgegen, bezahlen kann man entweder in bar oder mit dem Smartphone per Twint.
Vor allem Mütter mit Kindern kommen vorbei, wie auch ältere Menschen gehören zu den eifrigsten Käuferinnen und Käufern. «Willst du nicht noch eine Gurke?», fragt Andreas Karolin seine Kundin. «Zitronen haben wir auch, jawohl», bestätigt Ivo Streiff einem älteren Herrn. «Salat ist Salat», meint eine Käuferin, die sich mit ihrer Begleitung über das Geschäftsmodell von «Food Chat» unterhält. Eine Kundin ist unschlüssig, ob ein halbes Kilo Ingwer doch nicht zu viel für eine vierköpfige Familie sei. Doch Ivo Streiff erklärt ihr: «Den Ingwer kannst du auch einfrieren». Auf dem Zeughausplatz herrscht reges Treiben.
Der studierte Jurist hat bei einem Gespräch mit seinem Kollegen – der als Grosshändler tätig ist – über die riesigen Mengen an Lebensmitteln, die täglich im Abfall landen, an einem Abend bei einem Glas Wein erfahren. Die Idee hätte sich laut Streiff zu einem Selbstläufer entwickelt. Das Geschäft brachte ihn schliesslich weg von seinem Bürojob, hin zu direktem Kontakt mit Kundinnen und Kunden. Seine Motivation dahinter:
«Man tut so etwas Gutes.»
Momentan seien sie zwar noch zu zweit tätig, doch sobald die Non-Profit-Organisation sich schweizweit ausbreiten würde, seien automatisch mehr helfende Hände gefordert. «Wir wollen Schritt für Schritt wachsen», so der Kesswiler.
Der Andrang am Freitag war gross und die beiden Verkäufer sind zufrieden. Letztes Jahr konnten 130 Tonnen Früchte und Gemüse gerettet werden, dieses Jahr rechnet Streiff aufgrund der steigenden Nachfrage und positiven Rückmeldungen seitens der hiesigen Bevölkerung mit der doppelten Menge.
Feierabend war nach dem Verkauf in Teufen noch nicht in Sicht: In Gais wird der nächste Halt eingelegt und die übrigen Waren verkauft.