Die beiden Kantonsschülerinnen Maria Ambühl aus Benken und Jeannette Ringger aus Lichtensteig haben sich ein grosses Projekt vorgenommen. Als Maturaarbeit wollen sie einen Musicalfilm produzieren und ihre Erfahrungen festhalten. Mit den Vorbereitungen haben sie schon früh begonnen.
Über den Flur schweben bleiche Tänzerinnen in schwarzen Bodies. Eine Türe auf diesem Korridor führt in einen grossen Raum. Tonregie steht draussen angeschrieben. Drinnen leuchtet eine Hundertschar an Knöpfen und Anzeigen in allen Farben und Dreitage- bis vollbärtige junge Männer kauen vergnügt auf ihrem Supermarkt-Sandwich herum. Im Raum sitzen auch zwei Schülerinnen der Kantonsschule Wattwil. Jeannette Ringger und Maria Ambühl wirken nicht ganz so verträumt wie die Tänzerinnen und nicht ganz so vertraut mit all den Knöpfen im Tonstudio der Zürcher Hochschule der Künste. Sie sind hier, weil sie sich als Maturaarbeit einen Musicalfilm vorgenommen haben. Die bärtigen Burschen sind Vollblutmusiker. Einige von ihnen machen am Institute of Computer Music and Sound Technology eine Ausbildung zum Tonmeister. Zwei von ihnen kennen die beiden Maturandinnen schon länger.
«Dank ihnen sind wir zu diesem Tonstudio gekommen», sagt Jeannette Ringger. Denn die beiden Schülerinnen haben ein bescheidenes Budget für ihr stolzes Projekt: Einen Musicalfilm zu drehen mit den Songs von Adrian Stern. Es soll einen Liebesfilm geben, weil sich die meisten Texte des Aargauer Musikers um dieses Thema drehen. «Die meisten Szenen werden drinnen gedreht, grob gesagt, zwischen Bütschwil und Rapperswil», erzählt Maria Ambühl.
Mit ihrem Projekt stehen die beiden Schülerinnen im Spannungsfeld zwischen reinem Ausdruck und hoch technischer Produktionsmittel. Die beiden Schulfreundinnen, die an der Kanti den Schwerpunkt Musik gewählt haben, teilen sich die organisatorische Arbeit. Maria Ambühl legt ihren Schwerpunkt aber auf das Filmische. Sie möchte nach der Matura in diese Richtung gehen. Nebst der Filmsprache habe sie sich auch technisch kundig gemacht: Darüber wie man ein Drehbuch schreibt, darüber wie man eine semiprofessionelle Videokamera bedient, darüber wie man aus den einzelnen Einstellungen einen Film am Computer montiert und mit der Musik mischt. «Die vielen Knöpfe hier müssen wir zum Glück nicht bedienen. Das wäre viel zu kompliziert», sagt Jeannette Ringger, die in die Richtung Musical oder Schauspielerei gehen will. «Für mich ist es zwar auch wichtig, zumindest ein technisches Grundverständnis zu erlangen. Damit ich weiss, was mit dem passiert, was ich mache. Aber ganz so technisch ist die Schauspielerei auch heutzutage nicht», sagt sie. Dafür rollt sich nun Yannick Sandhofer, auf dem Bürostuhl sitzend, hinter das sicher zwei Meter breite Mischpult. Er absolviert den Lehrgang zum Tonmeister und sitzt daher dort richtig. Die übrigen Burschen, zusammengewürfelt aus Kollegen von Kollegen der beiden Schülerinnen, schnappen sich die Noten, welche die beiden Gitarristen Frieder Torp und Adrian Bissegger vorbereitet haben, verlassen den Raum und tauchen kurze Zeit später hinter der Glasscheibe auf, die den Aufnahmeraum von jenem der Tonregie trennt. Dort beginnen sie sich einzuspielen. In der Zwischenzeit bereitet der künftige Tonmeister die Aufnahme vor.
«Wir hatten riesiges Glück. Wir können weder den Jungs noch den Schauspielern, die im Musical eine Rolle verkörpern, eine Gage zahlen. Und trotzdem sind sie mit Herzblut dabei und versuchen möglichst nahe ans Original von Adrian Stern zu kommen, der uns erlaubt hat, seine Songs für unseren nicht kommerziellen Film covern zu lassen», sagt Jeannette Ringger, während sich Maria Ambühl im Aufnahmeraum befindet. Sie wird bei der Aufnahme mitsingen. «Zur Orientierung der Band. Den Gesang nehmen wir später auf», klärt Jeannette Ringer auf.
Nachdem die Band drei Versionen, von den Kantischülerinnen fachsprachlich «Takes» genannt, aufgezeichnet haben, lassen sich die Musiker in die Bürostühle im Regieraum sinken. Schlagzeuger Lukas Blattner, der in Luzern die Jazzschule besucht, rümpft die Nase. «Irgendwie zu wenig Drive», kommentiert er. Bassist und Vollbart-Träger Bene Schönenberger nickt. Kritisch hören sie die einzelnen Passagen ab. Take für Take. «Für uns ist dieser Einblick spannend und wichtig für unseren schriftlichen Erfahrungsbericht, der Teil der Maturaarbeit ist. Wir hätten nicht gedacht, dass hinter einem Pop- oder Rocksong derart harte Arbeit steckt», erzählt Maria Ambühl. Bereits am Vortag sind sie den ganzen Tag im Studio gesessen. Über die beiden Tage hinweg sollen zehn Songs eingespielt werden. Ein Rädchen mehr auf dem Weg zum fertigen Film. Und das will abverdient werden. Für Aufnahmen braucht man vor allem eins: Sitzleder.
«Mit den Vorbereitungen haben wir bereits vor einem Jahr begonnen und sind damit schon fast fertig», sagt Maria Ambühl. Nach den Aufnahmen der Musik steht der Gesang auf dem Programm. Dieser werde in einem privaten Studio aufgezeichnet. Danach werden sie sich mit allen Schauspielern und Schauspielerinnen treffen. Dann sei schon bald Sommer. «Drehzeit», sagt Maria Ambühl und lächelt voller Vorfreude.
Matthias Giger