Filmemacher lobt Protagonisten als "Senn wie aus dem Bilderbuch"

Leo Graf hat am Ostschweizer Kurzfilmwettbewerb den ersten Platz in der Kategorie U20 gewonnen. In seinem Film «Paradies» gibt er einen Einblick in das Leben des Appenzeller Bilderbuch-Sennen Albert Räss.

Claudio Weder
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Filmemacher Leo Graf.

Filmemacher Leo Graf.

Es sind Szenen, die an eine heile Welt erinnern: Hinter dem Hohen Kasten geht die Sonne auf, an den Spitzen der Kreuzberge treffen Licht und Schatten aufeinander. Dann wird die Perspektive des Betrachters auf die nahe des Fälensees gelegene Furgglenalp gelenkt, wo Senn Albert Räss gerade seinem «Veech» schaut.

Der 78-Jährige spielt in Leo Grafs Kurzfilm «Paradies» die Hauptrolle. «Er ist ein Senn wie aus dem Bilderbuch. Und dazu ein super Schauspieler», sagt der junge Filmemacher.

«Räss musste sich bei den Aufnahmen nie verstellen. Er konnte einfach so sein, wie er ist. Dies verlieh der Geschichte die notwendige Authentizität.»

Leo Graf ist sichtlich stolz darauf, dass er das Appenzeller Urgestein für sein Filmprojekt gewinnen konnte. Die «glückliche und hervorragende Auswahl des Protagonisten» war schliesslich – neben der Kameraführung, dem Ton, den Stimmungen und der Geschichte – ausschlaggebend dafür, dass sein Film am Ostschweizer Kurzfilmwettbewerb zum Gewinner in der Kategorie U20 gekürt wurde.

Der Alpstein – «e wunderbars Paradies»

Seinen Kurzfilm habe er jedoch nicht eigens für den Wettbewerb gedreht. Vielmehr ist «Paradies» Teil eines grösseren Filmes, den der damalige Kantonsschüler vor rund einem Jahr für seine Maturaarbeit produziert hatte. Darin stellt Graf drei verschiedene Personen vor, die alle einen Bezug zum Alpsteingebiet haben: einen Wegmacher, einen Hobby-Kletterer – und eben Albert Räss. Ergänzt wurden die drei Personen-Porträts von Landschaftsaufnahmen, die unter anderem per Drohnenkamera entstanden sind.

Leo Graf ist in Speicher aufgewachsen. Seit klein auf hat er einen Bezug zum Alpstein. Sein Vater nahm ihn oft zum Klettern mit. Auch auf der Furgglenalp war er einige Male – die perfekte Location für seinen Film war also schnell gefunden. «Viele Schweizer Filmer haben das Gefühl, sie müssten nach Amerika, um coole Drehorte zu finden. Dabei realisieren sie nicht, dass die besten Locations eigentlich vor der Haustüre liegen.» Albert Räss bringt es in einer Szene auf den Punkt: «De Alpstee isch efach e wunderbars Paradies.»

Vom James-Bond-Film zum Werbeauftrag

Wenn man es genau nimmt, hat Leo Graf beim Ostschweizer Kurzfilmwettbewerb noch einen zweiten Preis gewonnen. Denn der Anerkennungspreis in der Kategorie U20 ging an «Fresh Frames», ein junges Filmteam aus Speicher, zu dem auch Graf gehört. Bei der Produktion des eingereichten Kurzfilms «Love» konnte er jedoch nicht mitwirken, da er zu dieser Zeit im Militär weilte. Seit vier Jahren produzieren die sechs Jungs, die sich alle in der Sekundarschule kennenlernten, Kurzfilme. Regelmässig werden sie für das Finale des Ostschweizer Kurzfilmwettbewerbs nominiert, bereits zum vierten Mal in Folge räumten sie einen Preis ab.

Beigebracht haben sie sich das Filmen selber. Was vor vier Jahren mit der jugendlich-leichtsinnigen Idee, einen James-Bond-Film im Wald zu drehen, anfing, entwickelte sich schnell zum Business. Heute erledigen sie professionelle Auftragsarbeiten, darunter vor allem Werbe- und Imagefilme für Start-ups. Wie lässt sich diese rasante Entwicklung erklären? «Wir sind mit viel Herzblut bei der Sache», sagt Graf, der als Schnitt-Profi und Technik-Freak im Team fungiert und daher von seinen Kollegen auch gerne «der Nerd» genannt wird. Bei der Produktion seines Matura-Filmprojektes war Leo Graf allerdings auf sich allein gestellt: Ton, Schnitt, Regie, Kamera – alles machte er selber. Nur das technische Equipment, etwa die Drohne, hat er sich von «Fresh Frames» ausgeliehen. «Das war ein Vorteil.»

Wohin es den jungen Filmemacher einmal ziehen wird, ist noch unklar. Dass es die Filmbranche sein wird, ist aber so gewiss wie das Lindauerli im Mund von Albert Räss. Derzeit absolviert der 18-Jährige ein Praktikum in einer Agentur für 2D- und 3D-Filme in St. Gallen. Später könnte er sich vorstellen, Animationsfilm zu studieren.