Innerrhoder Solidarität in der Coronakrise: Ein Netz aus Helfern steht parat

«Appenzell hilft» ist eine Anlaufstelle für freiwillige Nachbarschaftshilfe. Die Nachfrage ist noch überschaubar.

Claudio Weder
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Nicht nur in Innerrhoden gehen derzeit Freiwillige für die Risikogruppe einkaufen.

Nicht nur in Innerrhoden gehen derzeit Freiwillige für die Risikogruppe einkaufen.

Bild: Oliver Berg/DPA

Wer geht mit dem Hund spazieren? Wer erledigt die Einkäufe und was tun, damit einem die Decke zu Hause nicht auf den Kopf fällt? Das Leben in Quarantäne kann – insbesondere für Menschen in einer Risikogruppe – zur Herausforderung werden. Genau hier setzen die solidarischen Angebote an, die zur Zeit überall wie Pilze aus dem Boden schiessen. Auch im Appenzellerland gibt es sie: In Ausserrhoden wurden zahlreiche Hilfsdienste von Privaten, Vereinen oder Gemeinden ins Leben gerufen (siehe Ausgabe vom 25.März). In Innerrhoden springt nun auch der Kanton in die Bresche: Seit rund zwei Wochen ist die Plattform «Appenzell hilft» in Betrieb, eine Anlaufstelle für Personen, die freiwillige Nachbarschaftshilfe anbieten wollen oder solche, die Hilfe in Anspruch nehmen möchten. Betreut wird sie von der Seelsorgeeinheit Appenzell.

Godi Trachsler hat gerade Telefondienst. Wegen der Coronakrise hat der kirchliche Jugendseelsorger zur Zeit freie Kapazitäten. «Der Unterricht findet nicht statt, die Firmung ist abgesagt, und Jugendarbeit darf ich momentan auch nicht machen», erzählt er. Eine sinnvolle Beschäftigung hat er dennoch: Im Homeoffice betreut er die Hotline von «Appenzell hilft», nimmt Anfragen von Freiwilligen und Bedürftigen aus der Bevölkerung entgegen.

Nicht immer aber ist es Godi Trachsler, der den Hörer abnimmt. «Wir wechseln uns fleissig ab», sagt er. Wenn nicht von ihm, dann wird die Hotline von Zivildienstleistenden betreut – und auch Fredy Bihler, Leiter der Stelle Kirche und Soziales und Koordinator der Plattform «Appenzell hilft», sitzt hie und da am anderen Ende der Leitung. Unter der Woche ist die Hotline (0717889912) täglich von 8.30 bis 12Uhr und von 13.30 bis 17Uhr erreichbar, am Wochenende jeweils von 8.30 bis 9.30Uhr und von 16 bis 17Uhr. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, ein Online-Formular auszufüllen. Dabei gibt man seine Personalien sowie die Wohngegend an und trägt dann die Hilfestellung, die man benötigt oder anbieten kann, in ein leeres Feld – dies kann alles Mögliche sein, von Einkäufe erledigen, Tiere füttern, Holz tragen, Gassi gehen mit dem Haustier, Vorlesen, bis hin zu Gespräche führen am Telefon.

«Die freiwilligen Helfer sind momentan in der Überzahl», sagt Fredy Bihler. Nur vereinzelt seien Anfragen von Hilfesuchenden eingetroffen, vor allem von älteren Personen, die ihre Einkäufe nicht selber erledigen können. Fredy Bihler glaubt zu wissen, warum es mit den Anfragen der Bedürftigen noch harzt: «Hier in Appenzell verfügen die Menschen über ein gutes soziales Netz. Wer Hilfe benötigt, erhält diese meist direkt von Nachbarn oder Angehörigen.» Dennoch, so betont er, sei es wichtig, dass fortan mit «Appenzell hilft» auch eine offizielle kantonale Anlaufstelle für Freiwilligenhilfe zur Verfügung stehe.

Auftraggeber ist der kantonale Führungsstab

Entstanden ist die Koordinationsstelle im Auftrag des kantonalen Führungsstabs. Mit diesem steht die Seelsorgeeinheit im permanenten Austausch: «Der kantonale Führungsstab bietet uns technischen und fachlichen Support und stellt die elektronische Infrastruktur für den Aufbau des Helfernetzes bereit», sagt Fredy Bihler. Die Seelsorgeeinheit wiederum ist vor allem für die Koordination und Administration der Hilfseinsätze zuständig. «Die Telefonzentrale bildet quasi das Cockpit», sagt Bihler. Dort werden die angemeldeten Kapazitäten respektive Bedürfnisse entgegengenommen und im Anschluss an die Ansprechpersonen weitergeleitet, die in 14 Dörfern und Quartieren stationiert sind. Diese Personen pflegen den Kontakt zu den freiwilligen Helfern in ihrer Umgebung und können bei Bedarf auf diese zurückgreifen, um einer bedürftigen Person eine Hilfeleistung zu vermitteln. «Wichtig ist, dass diese Ansprechpersonen im Dorf gut vernetzt sind und dass sie über weitergehende Hilfsangebote, etwa jene der Pro Senectute und der Spitex, informiert sind», sagt Bihler. Für ihn ist dieser Teil der Arbeit, der in den Dörfern abläuft, das A und O des ganzen Projektes. «Es freut mich, dass wir innerhalb von kurzer Zeit bereits ein gut funktionierendes, flächendeckendes Netz aus verschiedenen Bezugspersonen aufbauen konnten.» Ob in Zukunft mit einem Ansturm auf die Koordinationsstelle zu rechnen sei? «Ich hoffe nicht», sagt Bihler. «Aber wir wären parat.»