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Die Eröffnungsansprache an der Innerrhoder Grossratssession schien bereits zu Ende, da holte Präsident Franz Fässler nochmals Luft. Ein Leserbriefschreiber hat ihn erzürnt. Fässlers Antwort ist ein Lehrstück über die Innerrhoder Mentalität. Eine Glosse.
Jetzt ist es bestätigt: Wer in Innerrhoden lauthals eine Meinung vertritt, die nicht ins schöne Ländli passt, muss Konsequenzen ziehen. Sprich: Der oder die ist im Kanton nicht mehr erwünscht. Diesen Schluss lässt die Analyse der Eröffnungsrede des Grossratspräsidenten Franz Fässler zu, der am Montag den Leserbrief eines Herrn Degiacomi aufgriff. Nur was hat er getan? Der Bösewicht hat öffentlich die Feuerwehr kritisiert, die offenbar mit zu viel Lärm ab und an am Sonntagmorgen beim Depot Übungen oder Wartungsarbeiten durchführt. Gewiss hat besagter Herr nicht die freundlichsten Worte für sein Schreiben gewählt, mit den Ausführungen des Grossratspräsidenten bekommt das Ganze aber eine neue Dimension. «Falls er mit dem Umstand nicht z gang kommt, so soll er sich doch eine Wohnung weit weg vom Dorfzentrum oder gar in einem anderen Kanton suchen», tadelte Fässler den Mann im Grossratssaal. Natürlich ohne dessen Anwesenheit, so dass ihm hiermit erst einmal diese Botschaft überbracht werden muss.
Liebe Innerrhoder, Säckelmeister Ruedi Eberle hat einmal gesagt: «Der typische Innerrhoder ist konservativ, aber weltoffen.» Weltoffenheit soll umgangssprachlich bedeuten, gegenüber anderen Kulturen und Meinungen aufgeschlossen zu sein. Die Innerrhodische Lesart scheint anders zu sein: Sei aufgeschlossen, aber ja nicht zugeflossen, denn dann bist du nicht mehr artgenossen und wirst ausgeschlossen. Und machst du zugleich auch den Franz verdrossen, wirst du öffentlich noch abgeschossen. Innerrhoden ist eben doch ein Land von Eidgenossen, die mit zarter Seide sind weich umschlossen. Wehe dem, der kurzentschlossen, diesem Volk ganz unverdrossen, wagt, seine Meinung druckgegossen auszustossen.
Bei so viel Emotionen muss eine Lösung her. Doch bekanntlich drehen in absehbarer Zeit im Kanton keine Windkrafträder, die womöglich etwas Ventilatorenwirkung erzielen könnten. Ergo braucht es zum Fall passende Musik. Wie heisst doch eines der bekannten Feuerwehrlieder in der Schweiz: «Mir sind vo dr Füürwehr». Die zweite Strophe kann bei Ärger, der im Hals kratzt, zu Herzen genommen werden: «Ich han en Hals wie Löschpapier, dem fählt en chüele Schluck. Do muess me lösche! Do muess me lösche!» Rauchen Fässler und Degiacomi dabei auch noch die Friedenspfeife, kann einem aufgeschlossenen Innerrhoden nichts im Weg stehen.