Lehrstellensuche während der Coronakrise: Die Ungewissheit bleibt, im Appenzellerland mangelt's an Schnupperlehren

Für Ausserrhoder Jugendliche könnte die Lehrstellensuche noch schwieriger werden, als sie ohnehin schon ist. Doch es gibt auch Hoffnung.

Claudio Weder
Drucken
Sowohl in Ausserrhoden als auch in Innerrhoden sind noch Lehrstellen offen – werden sie es aufgrund der Coronakrise bleiben?

Sowohl in Ausserrhoden als auch in Innerrhoden sind noch Lehrstellen offen – werden sie es aufgrund der Coronakrise bleiben?

Bild: Urs Byland

Abgesagte Bewerbungsgespräche, aufgelöste Lehrverträge, gestrichene Schnupperlehren – für manche Jugendliche, die kurz vor ihrem Schulabschluss stehen, könnte die Berufswahl in diesem Frühsommer zur Herausforderung werden. Die Coronapandemie hat die Wirtschaft fest im Griff. Und hinterlässt womöglich auch in der Berufsbildung ihre Spuren. Ist das auch im Appenzellerland so?

Insbesondere für Lernende, die bis anhin noch keine Lehrstelle gefunden haben, dürfte sich die Suche während der Coronakrise noch schwieriger gestalten, als sie ohnehin schon ist. Das weiss auch Cornelia Grill, Leiterin Berufsbildung bei der Sefar AG in Heiden. «Ich könnte mir vorstellen, dass die Unsicherheit bei den Jugendlichen zurzeit gross ist», sagt sie auf Anfrage. Nicht nur weil die Gefahr besteht, dass Lehrstellen aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage gestrichen werden: Ein Problem seien vor allem auch die Schnupperlehren, die aufgrund der Hygienevorschriften des Bundes von vielen Betrieben abgesagt würden. Auch bei der Sefar AG bestehe derzeit keine Möglichkeit, eine solche zu absolvieren. «Ich musste leider schon einige Absagen erteilen», sagt Grill.

Der Mangel an Schnupperlehren wirkt sich – so zumindest bei der Sefar – wiederum auf die Lehrstellensuche aus: «Ohne Schnupperlehre im entsprechenden Beruf vergeben wir keine Lehrstellen. Die Gefahr von Lehrabbrüchen wäre viel zu hoch.» Jugendlichen, die auf der Suche nach einer Schnupperlehre sind, aber keine bekommen, rät Cornelia Grill, sich via Medien ein Bild von ihrem Wunschberuf zu machen. «Dies soll die Schnupperlehre nicht ersetzen, sondern die Jugendlichen besser auf eine Schnupperlehre zu einem späteren Zeitpunkt vorbereiten.»

Einfluss auf Stellenmarkt schwierig abschätzbar

Die sechs ausgeschriebenen Lehrstellen bei der Sefar AG sind zurzeit offen. Ob diese noch besetzt werden, kann Cornelia Grill nicht sagen. Sie werde erst einmal abwarten und die Situation beobachten. «Die Stellen zu streichen, stand bis jetzt nicht zur Diskussion.» Wenn immer möglich wolle sie die Lehrstellen besetzen – wenn es nicht anders geht, dann auch erst nach den Sommerferien.

«Wir sind angewiesen auf den Nachwuchs.»

Ebenfalls ist derzeit noch ungewiss, ob die Lehrabschlussprüfungen durchgeführt werden. Ein entsprechender Entscheid des Bundesrats steht noch aus. Cornelia Grill würde es begrüssen, dass die Jugendlichen ihre Lehrabschlussprüfungen trotz Coronakrise machen könnten, wenn auch in angepasster Form. «Prüfungen stellen für die Lernenden eine Situation dar, in der sie das, was sie während der Lehrzeit gelernt haben, nochmals zeigen und anwenden können.» Es sei der falsche Weg, die Prüfungen gänzlich ausfallen zu lassen.

Auch Peter Bleisch, Leiter des Ausserrhoder Amtes für Mittel- und Hochschulen und Berufsbildung, kann den Einfluss der Coronapandemie auf den Lehrstellenmarkt noch nicht abschätzen. 328 Lehrverträge wurden bis Ende März im Kanton Appenzell Ausserrhoden unterzeichnet. «Vergleicht man diese Zahl mit der Gesamtzahl der im vergangenen Jahr abgeschlossenen Lehrverträge, so sind wir aktuell bei einem Stand von etwa 70 Prozent.» Das heisst: Rund 30 Prozent der Lernenden haben noch keine Anschlusslösung. «Im Vergleich zu den vergangenen Jahren ist das ein eher tiefer Wert.» Dennoch ist eine gewisse Unsicherheit da: «Wir wissen nicht, ob alle Lehrbetriebe aufgrund ihrer momentanen wirtschaftlichen Situation an ihren Lehrstellen festhalten werden», sagt Bleisch. Zurzeit sind im Kanton Appenzell Ausserrhoden noch rund 200 Lehrstellen offen.

Das Amt für Mittel- und Hochschulen und Berufsbildung unterstützt die Lehrstellensuchenden in dieser schwierigen Situation über die Berufsberatung. «Wir pflegen intensiven Kontakt zu den Jugendlichen und begleiten sie im Berufswahlprozess», so Bleisch. Ebenso appelliere das Amt an die Unternehmen, die offenen Lehrstellen wenn möglich trotz Coronakrise zu besetzen.

«Wenn man die jungen Fachkräfte nicht jetzt rekrutiert, dann fehlen sie spätestens in drei oder vier Jahren.»

Peter Bleisch kann der momentanen Situation aber auch Positives abgewinnen. «Die Ausserrhoder Lernenden sind begehrt. Rund 50 Prozent der Lernenden absolvieren ihre Lehre in anderen Kantonen.» Falls Lernende also aufgrund der jetzigen Lage in Appenzell Ausserrhoden keine Lehrstelle finden sollten, haben sie in anderen Kantonen gute Chancen. Die Annahme, dass aufgrund der Coronakrise weniger Jugendliche einen Lehrvertrag unterzeichnen werden, ist also nicht zwingend richtig: «Möglicherweise führt die jetzige Situation auch dazu, dass es im Sommer weniger offene Lehrstellen gibt als in den vergangenen Jahren», so Bleisch.

Und wie sieht es in Innerrhoden aus? Laut Martina Bertsch-Streuli, Leiterin Berufsberatung, sind einige Schnupperlehren im Zusammenhang mit der Coronakrise abgesagt worden. Lehrstellen hingegen seien, soweit sie wisse, noch keine gestrichen worden. Bertsch-Streuli glaubt auch, dass dieser Fall eher nicht eintreffen werde. «Die Innerrhoder Betriebe haben ohnehin mit Nachwuchsmangel zu kämpfen, deshalb besteht die Chance, dass sie trotz der wirtschaftlichen Notlage an den ausgeschriebenen Lehrstellen festhalten werden.»

Nur noch wenige auf der Suche nach einer Anschlusslösung

Im Kanton Appenzell Innerrhoden konnten bislang rund 80 Lehrverträge unterschrieben werden. Das sind im Moment 30 bis 40 Lehrstellen weniger im Vergleich zur Gesamtzahl der abgeschlossenen Lehrverträge im vergangenen Jahr. Laut Martina Bertsch-Streuli kann daraus aber noch nicht der Rückschluss gezogen werden, dass dies im Zusammenhang mit dem Coronavirus steht. «Die dritte Oberstufe der Innerrhoder Schulen verzeichnet in diesem Jahr ja auch gut 30 Schülerinnen und Schüler weniger als letztes Jahr.»

Bertsch-Streuli arbeitet parallel als Oberstufenlehrerin. Sie kennt die meisten Jugendlichen, die zurzeit auf Stellensuche sind, also ganz genau. Diese Nähe, die nur aufgrund der Kleinheit des Kantons möglich ist, sei ein Vorteil und führe dazu, dass die Jugendlichen sehr gut betreut werden können. «Jedenfalls sind nur noch ganz wenige Schülerinnen und Schüler der dritten Oberstufe auf der Suche nach einer Anschlusslösung.» Unsicherheit spürt Bertsch-Streuli derzeit bei den Jugendlichen nicht. Ob dies nach den Frühlingsferien immer noch so sein wird, werde sich zeigen.