Die Sinn machende Art des Fastens

Fasten kann Verzicht sein, Zurück- oder Masshalten und wird mitunter bis zur Selbstkasteiung getrieben. Eine etwas andere Art des Fastens ist das spirituelle Fasten. Es ist sinnlich, schärft die Sinne und macht Sinn. Gerade zwischen Fasnacht und Ostern wird oft gefastet – auch in Gruppen.

Michael Hug
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Es gibt viele Gründe die derzeitige Fastenzeit auch wirklich zum Fasten zu nutzen. Vielen fällt es aber schwer, auf Wohlriechendes und Gutschmeckendes zu verzichten. (Bild: Michael Hug)

Es gibt viele Gründe die derzeitige Fastenzeit auch wirklich zum Fasten zu nutzen. Vielen fällt es aber schwer, auf Wohlriechendes und Gutschmeckendes zu verzichten. (Bild: Michael Hug)

TOGGENBURG. Würde der Mensch gezwungen, sich keine Nahrung zuzuführen, würde er mit zunehmendem Verlauf unter der Massnahme leiden – er würde hungern. Er stünde die ganze Zeit unter dem Druck des Hungergefühls und würde die Massnahme als Folter empfinden. Würde er sich selbst dazu zwingen, auf Nahrung zu verzichten, wären zwar der Ärger über die von aussen aufgezwungene Massnahme weg, die Wahrnehmung der Massnahme als Folter jedoch bliebe. Nur hiesse diese Art des aufgesetzten Zwangs dann nicht mehr Folter sondern Selbstkasteiung. Der Effekt wäre jedoch der selbe: Körper und Geist werden unter Druck gesetzt, befreit würde dadurch weder das Eine noch das Andere und am Ende der Massnahme würde der so «Gefolterte» sich auf alles Essbare stürzen.

Spirituelles Fasten

Eine andere Möglichkeit des Verzichts auf Nahrung ist das spirituelle Fasten. Dabei wird die Nahrungsaufnahme fast ganz eingeschränkt, um Platz für inneren Raum zu schaffen. Mit dem Entleeren des Darms wird auch der Kopf von Unnötigem befreit. Die Gedanken im von der Sorge des Essens (und der Beschaffung dessen) befreiten Gehirn beginnen sich zu entfalten. Es geht nicht um die Wirkungen des Fastens auf den Körper, sondern die Befreiung des Denkens. «Was die Augen für die äussere Welt sind, das ist das Fasten für die innere», sagte Mahatma Gandhi. Spirituelles Fasten war für den Pazifisten und Asketen eine Innenschau, ein Sehen dessen, was da noch ist unter dem, was an der Oberfläche liegt. Bei dieser nach innen gekehrten Art des Fastens wächst die Sensibilität für tiefergehende Gedanken.

Im Alltag integriert

Der westliche Mensch braucht kein Asket, Guru oder Yogi zu sein, um den Gewinn des spirituellen Fastens zu ernten. «Spirituelles Fasten kann in den Alltag integriert werden», sagt Eva Sutter, Religionspädagogin und Leiterin der ökumenischen Fastenwoche in Ebnat-Kappel. Naheliegend wählt sie für ihr Angebot die jährliche Fastenzeit vor Ostern: «Wir verzichten eine Woche lang auf das Essen. Die gewonnene Zeit nutzen wir für unsere Innensicht. Das bedeutet, man macht mal einen Spaziergang, oder man setzt sich hin und denkt über sich nach, man macht sich offen für Impulse die da kommen.» Und Impulse kommen ganz bestimmt, denn wer bewusst fastet, hat eine offenere Wahrnehmung, sagt Eva Sutter.

Offenere Wahrnehmung

Da diese Art des Fastens in den Alltag integriert ist, fastet in Eva Sutters Gruppe jeder und jede für sich. Man trifft sich jedoch jeden Abend für eine Stunde zum Austausch. «Durch diesen Austausch wird bewusster, was in einem selbst geschieht. Man nimmt sich bewusster war: Was geschah heute mit mir, was habe ich gemacht, was unterdrückt, welche Bedürfnisse lebe ich eigentlich nicht.» Man werde dünnhäutiger in dieser Zeit, sagt Eva Sutter: «Man nimmt sein Umfeld anders wahr. Die Sinne werden geschärft, Gerüche und Geräusche sind stärker, man träumt mehr und intensiver.» Im Allgemeinen seien die Teilnehmenden fitter und bräuchten sich nicht speziell zu schonen.

Kein Hungergefühl

Das Problem des Hungers stelle sich nicht, so Eva Sutter: «Der Hunger hört auf, wenn der Kopf weiss, heute gibt es nichts. Der Körper stellt sich am zweiten Tag schon um und zehrt von den Reserven.» Wenn die Gefühle des Hungers und des Verzichts nicht da sind, entstehe viel gedanklicher Raum für die Reise zu sich selbst, meint die Fastenleiterin weiter. Mancher habe dabei seine unterdrückten Wünsche, Träume oder Visionen entdeckt und danach etwas verändert in seinem Leben. «Die Motivation zum Fasten ist der Gewinn, den man daraus zieht. Unsere Fastenden fühlen sich bereichert nach der Fastenwoche.»

Spirituelles Fasten ist gemäss Eva Sutter ein Werkzeug für eine bewusstere Innensicht. «Wichtig dabei ist die persönliche Gottesbeziehung. Es spielt keine Rolle, welcher Religion die Fastenden angehören, wir vermitteln keine Glaubensinhalte. Spiritualität heisst für uns Verbindung einer anderen Macht, wie diese aussieht für jeden Einzelnen, spielt keine Rolle. Es geht viel mehr darum, der Fähigkeit zur Wahrnehmung dieser Macht auf die Spur zu kommen.»

Ökumenische Fastenwoche unter dem Thema «Fasten macht Sinn(lich)» vom 1. bis 8. März; tägliche Austauschrunde jeweils um 19 Uhr im St. Michaelshaus der Katholischen Kirchgemeinde Ebnat-Kappel. Info und Anmeldung bei Eva Sutter, Telefon 071 993 35 39 oder evasutter@bluewin.ch.