Die schönste Seite geht nach Süden

Werner Tanner hat sich als Zimmermann und Schreiner auf die Renovation von schützenswerten Häusern spezialisiert. Zurzeit sind die letzten Arbeiten an einem rund 300jährigen Haus im Gang.

Cecilia Hess-Lombriser
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Das rund 300jährige Haus erstrahlt in neuem Glanz und repräsentiert altes, kluges Handwerk, das perfekt zur Landschaft passt.

Das rund 300jährige Haus erstrahlt in neuem Glanz und repräsentiert altes, kluges Handwerk, das perfekt zur Landschaft passt.

Unweit des Einmann-Betriebes von Werner Tanner an der Unterharzenmoosstrasse in Bächli-Hemberg strahlt ein rund 300jähriges Wohnhaus in neuem Glanz. Die schönste Seite ist gegen Süden ausgerichtet, und kaum jemand erblickt die in original ockerfarben gestrichene Fassade mit den braunen Fensterfuttern, den Klebdächern oberhalb der Fenster und den Zahnleisten in Weiss und Braun. Davor ist eine Wiese und dahinter Wald. Zurzeit liegt er farblich im Wettstreit mit dem renovierten Haus. Werner Tanner hat es vor wenigen Jahren erwerben können und sich zur Aufgabe gemacht, die alte Substanz so weit als möglich zu erhalten und ansonsten das Haus energetisch auf den neuesten Stand zu bringen und wohnlich zu gestalten. Das ist ihm vortrefflich gelungen. Tanner ist Handwerker durch und durch und im Moment stolz auf sein neuestes Werk. Ein anderes war etwa die Initiierung des «Chnobelweges» in Bächli vor 11 Jahren; eine Folge seiner Teilnahme in der Sendung «Wetten, dass…?» im Jahr 2001. Er blickt zur neuen Fassade des renovierten Hauses empor und erklärt, dass sie lediglich einen neuen Farbanstrich erhalten habe und neue Fenster mit Dreifachverglasung. Sie haben Sprossen, wie sie zu diesem Typ Toggenburgerhaus gehören. «Die alten Toggenburger Häuser haben meistens eine rohe, dunkle Holzfassade, aber hier sind wir nahe der Appenzeller Grenze und die Farben sind rübergeschwappt», erklärt er den ockerfarbenen Anstrich, verbunden mit Braun und Weiss.

Boden abgesetzt, Decke angehoben

Hinter dem oberirdischen Kellergeschoss mit Fenstern befand sich einst ein Sticklokal, so wie fast in jedem Haus. Wegen der Stickmaschinen hatte dieser Kellerraum mehr Raumhöhe, was für den Umbau von Vorteil war. Die alten Stockhöhen betrugen 1,8 bis 1,9 Meter. Die Türhöhen waren entsprechend noch tiefer. Werner Tanner setzte den Boden des ersten Stocks herunter und dämmte ihn. Im oberen Stock wurde die Decke angehoben. Im Erdgeschoss sind die Stockhöhen nun 2,1 und im Obergeschoss 1,95 Meter. Das ganze Haus erfuhr eine Isofloc-Dämmung. «Das Haus atmet damit», informiert der Fachmann.

Wie alt das renovierte Haus tatsächlich ist, weiss der neue Besitzer auch nicht. Anhand der Bauart und des Kachelofens schätzt er es auf rund 300 Jahre. Während der letzten 50 Jahre hat es als Ferienhaus gedient. Es war kaum beheizbar. Der grüne Kachelofen, der demontiert, im Inneren neu aufgebaut und mit den alten Kacheln wieder aufgebaut worden ist, ist mit der Inschrift «17 Johan Jacob Zehender 87» versehen. Zehender war ein Hafnergeschlecht in Lichtensteig. Im oberen Abschlussrand steckt noch ein Stück des Vorgängerofens; mit blauen Blumen bemalt. Auch dies ein Hinweis, dass das Haus ein stolzes Alter hat. Eine der alten Eisentüren ist ebenfalls älter als die andere. «Damals war das Baumaterial teuer und die Arbeitsstunden günstig. Heute ist es genau umgekehrt», weist Werner Tanner auf eine Veränderung hin, die die charaktervollen Details, Verzierungen und aufwendigen Holzarbeiten erklärt. Heute wäre ein solch zeitaufwendiges Handwerk fast unbezahlbar. Mit Material ging man damals also sorgfältig um. «Die Bollensteine im Fundament stammten wohl aus dem Zwislerbach und wurden mit Ross und Wagen transportiert», vermutet Tanner. Und bei den Zahnleisten an der Hauptfassade hat er staunend festgestellt, dass jedes einzelne, eingekerbte und im Wechsel versetzte Teil einzeln mit einem Nagel befestigt worden ist.

Werner Tanner führt zuerst in das Untergeschoss, das über eine noch im Entstehen befindliche Terrasse erreichbar ist, vorbei an der Luftwärmepumpe, die im Untergeschoss und im Erstgeschoss an eine Bodenheizung angeschlossen ist. Ein grosser, heller Raum präsentiert sich. «Es wäre denkbar gewesen, dass man hier ein Büro oder eine Therapie- oder Beratungspraxis hätte einrichten können», erklärt Werner Tanner. Der neue Mieter hat allerdings andere Pläne. Der nächste Stock ist über eine neue Treppe aus Buchenholz erreichbar. Dort, wo vorher die Küche war, ist der Holzherd zwar aufgefrischt worden und der Kachelofen wird immer noch von hier aus bestückt, gehört jetzt jedoch zum Gang. Für die Küche ist das schönste Zimmer gewählt worden. Sie hat Licht von Süden und von Westen. Die Einrichtung ist mit dunkelgelben Fronten und freistehendem Korpus. Der Durchgang zum Wohnzimmer ist offen. Überall gibt es neue, gestemmte Türen. Im Badezimmer steht die Badewanne frei vor einem grossen Fenster mit Blick auf Hemberg.

Ein Plus für die Gemeinden

Im zweiten Stock ist die Einteilung der Zimmer belassen worden. Die Strickwände gibt es noch und auch die alten Türen mit Eisenbeschlägen. Die versiegelten Tannenböden hellen die Räume zusammen mit den weissen Gipsdecken und teilweise Gipswänden auf. Im ganzen Haus sind 120 LED-Lampen in der Decke versenkt worden. Der Kompromiss wegen der niedrigeren Deckenhöhe. Werner Tanner hat ein ganzes Fotobuch vom Wandel zusammengestellt. Es zeigt den grossen Eingriff und die immense Arbeit. Die verwitterte, geschindelte Wetterfassade wurde durch eine graue Holzschalung ersetzt, und davor ist eine Doppel-Fertiggarage hingestellt worden. Die Zufahrt musste vor dem Umbau erstellt werden. Es gab nur einen Fussweg. Für die kantonale Bewilligung dafür und für den Hausumbau brauchte Werner Tanner Geduld und Hartnäckigkeit. Auf die Bewilligung für den Wintergarten, um die Sonnenwärme auszunutzen, wartet er seit acht Monaten. Seit Sommer 2015 dauert der Bau, der sich nun zu seinem Ende neigt.

Für Werner Tanner war es spannend, das alte Haus zu renovieren und laufend entscheiden zu müssen und Kompromisse einzugehen. «Heute wird lieber abgerissen, und dabei geht leider viel Charakteristisches verloren. Für die Gemeinden müsste es interessant sein, alte Toggenburger Häuser zu erhalten. Wer sich ein renoviertes Haus leisten kann, ist meistens auch ein guter Steuerzahler», meint er.

So sah das Haus im Harzenmoos vor der umfangreichen Renovation durch Werner Tanner und andere Handwerker aus. (Bilder: PD)

So sah das Haus im Harzenmoos vor der umfangreichen Renovation durch Werner Tanner und andere Handwerker aus. (Bilder: PD)

Der Blick in das Zimmer, wo jetzt die neue Küche steht. Ein grosses Fenster ersetzt die beiden kleinen.

Der Blick in das Zimmer, wo jetzt die neue Küche steht. Ein grosses Fenster ersetzt die beiden kleinen.

Die moderne Küche passt zu den alten Elementen. Der Durchgang zum Wohnzimmer mit altem Kachelofen ist offen.

Die moderne Küche passt zu den alten Elementen. Der Durchgang zum Wohnzimmer mit altem Kachelofen ist offen.