Andreas Ennulat geht nach 20 Jahren als Pfarrer der Evangelischen Kirchgemeinde Wolfhalden in den Ruhestand.
An den Moment, als er das erste Mal die Kirche Wolfhalden betrat, erinnert sich Pfarrer Andreas Ennulat noch genau. Es war ein Novembernachmittag im Jahre 1999. Kalt und nass war es draussen, im Gotteshaus selbst warfen Leuchter ein fahles Licht zu Boden und machten den Blick frei auf einen «hässlichen grünen Teppich.» Die Kirchenbänke standen eng beieinander, die Kanzel ragte aus der Orgel empor und der Boden war rot geklinkert. Ennulats Gedanke: «Schlimmer geht’s nicht.» Dann jedoch richtete er seinen Blick zur Decke. Das grosse Holzgewölbe, das sich «mit einer wohlwollenden Sanftheit über alles unter ihr erhob», wie Ennulat es umschreibt, sorgte für eine besondere Atmosphäre. «Mir wurde warm. Und ich entschied mich, meine Bewerbung für die Stelle des Pfarrers einzureichen.»
Heute, 20 Jahre nach diesem tristen Novembertag, nahm Andreas Ennulat nun Abschied von dieser Kirche respektive von seiner Stelle als Pfarrperson. Er trat in den Ruhestand. Ein Schritt, der ihm leicht falle, wie er sagt. «Die Verantwortung über all die Jahre tragen zu müssen, war anstrengend.» Nun dürfe er Kirche leben, er müsse es nicht mehr.
Andreas Ennulat nahm als Ausgangspunkt für seine Predigten keine klassische Bibelstelle, sondern aktuelle Geschehen. Diese setzte er erst in einem zweiten Schritt Worten aus der Bibel gegenüber. Es ist ein anderer Weg als der, welchen die meisten seiner Berufskollegen wählen. Doch Ennulat machte vieles anders als andere. Er lud zu Diskussionsrunden, zu politischen Bettagsgesprächen, zu Bauernhof- oder auch Rockgottesdiensten. «Ich organisiere gerne Anlässe, zu denen auch Grenzgänger kommen», sagt Ennulat und meint damit diejenigen Personen, die ansonsten nur wenig mit der Kirche zu tun haben wollen. Zudem setzte er sich für eine vermehrte Zusammenarbeit der Kirchgemeinden im Vorderland ein, die Sozialdiakonie wollte er gestärkt wissen. Jedoch ging dies nicht so einfach wie erhofft vonstatten. «Die Angst vor Veränderungen gehört zur DNA von Institutionen. Bestehende Strukturen aufzubrechen, ist ein langwieriger Prozess», so Ennulat. Dass die Diskussion um eine Zusammenlegung der Kirchgemeinden derzeit noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie er sich dies wünschte, sei denn auch das Einzige, was ihn rückblickend etwas nachdenklich stimme. «Ich bin trotzdem zufrieden. Ich hatte eine schöne Zeit mit vielen bereichernden Begegnungen.»
Stolz ist Ennulat darauf, dass er während seiner Laufbahn stets versuchte, «die Ränder» der klassischen Kirchenarbeit abzudecken. Damit sind diejenigen Themenbereiche umschrieben, die sich ausserhalb des Geschriebenen in der Bibel befinden: Literatur, Philosophie, Geschichte. «Ich bin ein analytischer Mensch, der gerne hinterfragt und Verknüpfungen herstellt.» Seit rund zwei Jahren treffen sich die Pfarrpersonen und die diakonischen Mitarbeiter des Vorderlandes zu Sitzungen des «Teams Vorderland». Dieses zentralisierte schliesslich auch die Bildungsarbeit. Bei der Veranstaltung «Was glaubt die Welt?» konnten sich die verschiedenen Religionsgemeinschaften vorstellen. Folgeanlässe wie «Was isst die Welt?» mit einem kulinarischen Angebot und «Wie klingt Religion?» rundeten die Reihe ab. Auch der Velowanderweg, der im Rahmen des Reformationsjubiläums lanciert wurde, ist ein Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen den Kirchgemeinden und der Bearbeitung solch thematischer «Ränder». «Es brauchte viel Power», so Ennulat. «Aber wir haben viel erreicht.» Strukturelle Verknüpfungen und Kollaborationen kamen zu Stande. Die Hoffnung auf eine Fusion hat Ennulat noch nicht aufgegeben.
Was macht er nun nach seiner Pensionierung? Langweilig dürfte es Andreas Ennulat nicht werden. Nach wie vor wird er als Vizepräsident des Henry-Dunant-Museums tätig sein, Anlässe für den Verein «Kirche und Kultur – Kultur in der Kirche Wolfhalden», den er einst lancierte, organisieren und in der SP-Kantonalpartei sowie der SP-Sektion Vorderland aktiv sein. Im Rahmen Letzterer organisiert Ennulat demnächst eine Veranstaltungsreihe namens «Der rote Stuhl». Regierungsräte können sich auf einer Plattform präsentieren und Stellung beziehen zu aktuellen Themen. «Alle haben bereits zugesagt, dass sie innert der nächsten drei Jahre einmal dabei sein werden», freut sich der Pfarrer.
Ennulat blickt zuversichtlich in die Zukunft. Und ebenfalls mit einem guten Gefühl zurück. Auch die Kirche selbst gefällt ihm nach der Sanierung 2010 sehr gut. Den Schlüssel der einstigen Eingangstüre hatte er vor Baubeginn noch «gerettet», wie er in seinem Abschiedsgottesdienst sagte. Diesen überreichte er seinem Nachfolger Daniel Kiefer.