Brosmete
Wir gehören zu den wenigen glücklichen Menschen, die noch einen Miststock hinter dem Haus haben. Wie jeden Sommer haben wir auch in diesem Jahr verschiedene Pflanzen wie Gurken, Kürbisse und Zucchetti darauf eingepflanzt. Eigentlich sind alle Pflanzen üppig gediehen, jedoch die Zucchetti hatten anscheinend einen besonderen Turbodünger. Es wuchsen Zucchetti, dass wir richtig kreativ werden mussten. Sie wurden eingemacht, gebraten, mariniert und als Antipasti serviert, eingefroren und getrocknet. Sogar eine Vegi-Birchermüesli-Variante mit Zucchetti wurde in Betracht gezogen. Auch unsere Besucher blieben von der Zucchetti-Schwemme nicht verschont. Jeder, der auch nur halbwegs in die Nähe unseres Hauses kam, bekam augenblicklich einen dicken Knüppel des grünen Gemüses in die Hände gedrückt. Nach zwei Wochen fühlte ich mich selber bald wie eine Zucchetti, und schmackhaftes Fleisch kannte ich nur noch vom Hörensagen. Dabei sollte doch der Sommer schön sein. Um mich zu beruhigen, genehmigte ich mir eine Flasche Bier und legte mich in den Schatten mit Blick auf den Miststock. Ach ja, gibt es eigentlich ein Zucchetti-Bier? War mein nächster Gedanke. Einem Verfolgungswahn ähnlich wendete ich meinen Blick sofort von Zucchetti und Miststock ab. In diesem Moment kam eine Bekannte zu Besuch. Jawohl, dachte ich, endlich werden wir wieder eine Zucchetti los. Doch stattdessen beglückte sie uns mit einem dieser grünen Knüppel, da sie anscheinend in ihrem Garten ebenfalls eine Anbauschlacht veranstaltet hatte. Ja danke, magst du etwas trinken?, waren meine nächsten Worte. Sie sass zu uns in den Garten, und ich servierte ihr einen halben Liter eisgekühlten Zucchetti-Smoothie-Saft. Prost. Und an alle Freunde und Bekannten: Ihr könnt uns ab sofort wieder besuchen, ohne eine Zucchetti mitnehmen zu müssen. Dem Herbst sei Dank.
Hansruedi Diem