Der Kantonsrat will die Verfassung komplett überarbeiten. Als Nächstes liegt der Ball bei den Stimmberechtigten. Die IG Starkes Ausserrhoden ist mit dieser Vorgehensweise unzufrieden.
Jesko Calderara
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Auch in der 2. Lesung sprach sich der Kantonsrat am Montag für eine Totalrevision der Kantonsverfassung aus. Mit 34 Ja- zu 18 Nein-Stimmen fiel das Resultat zum Grundsatzbeschluss allerdings nicht mehr so klar aus wie noch vor einem Jahr bei der 1. Lesung. An der Variante Totalrevision festhalten wollte eine Mehrheit der parlamentarischen Kommission (PK). «Die Vorteile dieser Lösung überwiegen», sagte deren Präsident Hannes Friedli (SP/Heiden). Nur so könnten alle Baustellen systematisch und zusammen bearbeitet werden. Als «formalen Fehler» bezeichnete Friedli den Entscheid des Regierungsrates, auf eine Vernehmlassung zur Vorlage zu verzichten. Rechtlich sei dieser allerdings nicht einklagbar. Er beruhe vielmehr auf einer unterschiedlichen politischen Auslegung, sagte Friedli. «Der Kommission wären die Meinungen und Überlegungen interessierter Kreise zum Geschäft wichtig gewesen.»
Dass die Ausserrhoder Verfassung überarbeitet werden muss, war im Kantonsrat unbestritten. Handlungsbedarf sieht die Regierung beispielsweise bei den Gemeindestrukturen, der Einführung des Proporzwahlrechts für den Kantonsrat und dem innerkantonalen Finanzausgleich.
FDP, SVP, SP und die Parteiunabhängigen wollen diese Themen mehrheitlich mit einer Totalrevision angehen. Das sei letztlich zielführender, sagte Jens Weber (SP/Trogen). «Es ist eine Chance zur Weiterentwicklung des Kantons.» Mehrere Redner kritisierten die fehlende Vernehmlassung. Peter Gut (PU/Walzenhausen) scheiterte mit seinem Antrag, eine solche nachzuholen.
Für Teilrevisionen plädierte einzig die CVP-EVP-Fraktion. «Sie sind konkreter und politisch weniger brisant», sagte Claudia Frischknecht (CVP/Herisau). Zudem würden die einzelnen Themen bei den Stimmberechtigen auf breitere Akzeptanz stossen.
Als Gastredner trat Roger Sträuli, Präsident der IG Starkes Ausserhoden, auf. Er warnte den Kantonsrat vor einem Scherbenhaufen, sollte die totalrevidierte Verfassung vom Stimmvolk abgelehnt werden. «Dadurch verlängert sich der Verfassungs- und Gesetzgebungsprozess um drei bis vier Jahre.» Nebst dem Faktor Zeit würden auch die Kosten für Teilrevisionen sprechen. Die Totalrevision verschlinge immerhin über 300000 Franken und berge grosse Gefahren.
Ob dieses Projekt in Angriff genommen wird, entscheiden die Stimmberechtigen. Umstritten war in der Debatte die weitere Vorgehensweise. Die parlamentarische Kommission pochte auf dem Mitwirkungsrecht des Kantonsrates bei der Erarbeitung eines Entwurfs. Demgegenüber wies Landammann Paul Signer auf die Bestimmungen in der Verfassung hin, wonach die Regierung dafür zuständig ist. In einer zweiten Phase soll eine Verfassungskommission eingesetzt werden. Nachdem Signer versprach, den Kantonsrat und die Parteien frühzeitig einzubinden, zog die Kommission ihren Antrag zurück.