Chancen und Gefahren der Brauchtums-Vermarktung

TROGEN. Wenn das Appenzeller Brauchtum mittels touristischen Produkten vermarktet wird, so erhöht sich dadurch zwar der Bekanntheitsgrad – der Schritt zur Zweckentfremdung und Geldmacherei ist aber nicht weit.

Roger Fuchs
Drucken
Maturand Urs Fässler, der mit seiner Tracht wie auch dem Hackbrettspiel seine Liebe zum Brauchtum zum Ausdruck bringt, ortet bei der Brauchtums-Vermarktung die Gefahr, dass die Authentizität verloren gehen kann. (Bild: rf)

Maturand Urs Fässler, der mit seiner Tracht wie auch dem Hackbrettspiel seine Liebe zum Brauchtum zum Ausdruck bringt, ortet bei der Brauchtums-Vermarktung die Gefahr, dass die Authentizität verloren gehen kann. (Bild: rf)

Noch einmal richtet Urs Fässler von der Klasse 6e der Kantonsschule Trogen den Gurt seiner Tracht, dann startet er mit einem Hackbrettstück die Präsentation seiner Maturaarbeit «Appenzeller Brauchtum zwischen Tradition und Vermarktung». Fässler gehört am Samstagmorgen zu den ersten Präsentierenden. Sein Thema scheint so interessant zu sein, dass nebst Kanti-Rektor Willi Eugster auch das Prorektoren-Team sich für die Teilnahme an seinem Vortrag entschieden hat – unabgesprochen, wie Eugster am Rande sagt.

Rückbesinnung auf Riten

Der aus einer Rechtobler Bauernfamilie stammende Urs Fässler kommt in seiner Arbeit zum Schluss, dass die Vermarktung des Appenzeller Brauchtums durchwegs positive Veränderungen herbeiführen kann. War beispielsweise das Silvesterchlausen gemäss Fässler einmal fast «eingeschlafen», so sei es jetzt wieder im Aufwind. «Dank der Vermarktung geschieht eine Rückbesinnung auf Riten und Traditionen», gibt sich der Maturand überzeugt. Oder anders formuliert: Das Brauchtum rücke wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen. Als Beispiele von Unternehmen, die mit traditionellen Brauchtums-Sujets Produkte vermarkten, nennt er die Säntis Schwebebahn AG oder auch die Mineralquelle Gontenbad.

Kehrseite der Vermarktung

Dann gibt es aber auch die Kehrseite, wie Urs Fässler weiss. Vermarktung weckt Interesse, zieht Menschen an. Gleich zweimal erwähnt Fässler den Parkplatz auf der Schwägalp und spricht von einem grossen Eingriff in die Natur. Auch könne man sich fragen, ob es gut sei, wenn wegen eines Alpaufzugs – gelockt durch die Vermarktung – Tausende von Leute mit ihren Autos ins Appenzellerland fahren würden. Steckt hier nur noch profitorientiertes Denken dahinter? Urs Fässler sagt, dass eine gute Vermarktung des Brauchtums eine intensive Auseinandersetzung mit diesem wie auch mit der Mentalität der Appenzeller voraussetze. Es brauche in der Vermarktung Authentizität und keine Parodien. Der Anregung aus der Zuhörerschaft, Kulturschaffende und Touristiker müssten stärker zusammenarbeiten, stimmt Fässler zu. Und er führt ein konkretes Negativbeispiel seines Hackbrett-Idols Nicolas Senn an: ein Werbespot mit Senn, in dem für die Einheit der Schweiz geworben werde. «Brauchtum ist etwas Regionales», so der Maturand. «Man muss also schon aufpassen, wofür mit dem Brauchtum geworben wird.» Die Vermarktung könne das Gesamtbild verzerren.