BAZENHEID: Brüssel war eine Reise wert

Der 51-jährige Christian Wiesli arbeitete während vier Jahren als Diplomat für die Mission der Schweiz bei der Nato in Brüssel. Im Juli ist er mit seiner Familie in die Schweiz zurückgekehrt.

Beat Lanzendorfer
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Zeit für Ausflüge mit seiner Harley hat Christian Wiesli in Zukunft wieder mehr. (Bild: Beat Lanzendorfer)

Zeit für Ausflüge mit seiner Harley hat Christian Wiesli in Zukunft wieder mehr. (Bild: Beat Lanzendorfer)

Christian Wiesli: Haben Sie sich in der neuen (alten) Heimat schon wieder eingelebt?

Das haben wir uns noch gar nicht überlegt, es ging alles so schnell. Mitte Juli stand der Zügelwagen in Bazenheid und noch immer sind einige Kartons auszupacken. Seit Anfang August gehen alle Familienmitglieder ihren neuen Beschäftigungen/Anstellungen nach. Derzeit funktionieren wir einfach.

Sie arbeiteten während vier Jahren als Repräsentant bei der Nato in Brüssel. Wie muss man sich diese Arbeit vorstellen?

Meine Arbeit bestand zu einem grossen Teil aus Sichtung, Analyse, Kommentierung und Weiterleitung von Dokumenten im Rahmen des militärischen Kontextes, also der Partnerschaft für den Frieden (PfP). Klingt trocken, war aber sehr interessant, ich habe viel gelernt.

Brüssel kam im März 2016 durch die Bombenanschläge in die Schlagzeilen. Hatte dieses Ereignis Auswirkungen auf Ihre Arbeit?

Unser «Head of Mission», der Schweizer Botschafter, hielt sich zur Zeit der Anschläge in der Mission auf und konnte nicht mehr in die Botschaft zurückkehren. Der Krisenstab wurde in unseren Räumlichkeiten gebildet, schliesslich ging es darum, zu klären, ob Schweizer zu Schaden kamen. Eine sehr intensive Zeit, trotzdem ging meine Familie weiterhin auf dem arabischen Markt einkaufen. Wir fühlten uns nie bedroht, das Alltagsleben ging normal weiter.

Was bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?

Durch die hohe Zahl an Diplomaten in Brüssel kommt der Sicherheit ein hohes Mass an Aufmerksamkeit zu. Finden zusätzlich Konferenzen statt oder ist ein wichtiger Staatspräsident vor Ort, steht die Innenstadt still. An solchen Tagen wird den Mitarbeitern der Nato empfohlen, von zu Hause aus zu arbeiten. Solche Ereignisse bleiben mir in Erinnerung.

Belgien und die Schweiz sind von der Grösse und der Anzahl Einwohner durchaus vergleichbar. Gibt es trotzdem kulturelle Unterschiede?

Die Belgier verstehen es zu leben, es sich gut gehen zu lassen. Sie nehmen sich selbst nicht so wichtig und lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen.

Verstehen es die Schweizer nicht, zu leben?

Wir verstehen es auch, aber in einer anderen Art und Weise. Ich schätze es, dass in der Schweiz alles organisiert und pünktlich ist. In Belgien stört sich aber zum Beispiel niemand daran, wenn der Bus zu spät kommt. Der Belgier nimmt alles etwas gelassener.

Was bereitete Ihnen am Anfang in einem fremden Land am meisten Mühe?

Die Einkäufe! Wo gibt es welche Artikel? Welche Läden bieten welches Sortiment an? Am meisten haben wir das Schweizer Brot vermisst. Die St.Galler Bratwürste habe ich im Rahmen von Dienstreisen jeweils nach Brüssel importiert.

Was war hilfreich bei der Integration?

Wir erlebten die Belgier als sehr offene und freundliche Menschen. Brüssel ist ein eigentlicher Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen, dies fördert offensichtlich die Toleranz gegenüber Fremdem und Unbekanntem. Tochter Géraldine und ich spielten in der Dorfmusik, was der Integration sehr förderlich war.

Ihre Ehefrau Christa und Ihre beiden Töchter waren beim vierjährigen Abstecher ebenfalls dabei. Wer hat sich am schnellsten in der neuen Umgebung zurechtgefunden?

Für mich war es wohl am einfachsten, ich hatte ja meine Arbeit. Für meine Frau Christa war das schwieriger, sie hat dann diverse Weiterbildungen absolviert. Am schwierigsten war es wohl für die Kinder, mussten sie sich doch in ein völlig neues Umfeld einfügen.

Nun sind Sie seit ein paar Wochen zurück in der Schweiz. Vermissen Sie Brüssel und Ihren ehemaligen Arbeitsplatz?

Den Arbeitsplatz vermisse ich nicht, auch wenn ich viel gelernt habe, bin ich froh, nicht mehr jeden Tag in einem Büro sitzen zu müssen. Wir vermissen die tollen Leute, welche wir kennen gelernt haben, und auch etwas die offene Mentalität der Menschen.

Eine Verlängerung als Repräsentant bei der Nato war keine Option?

Nein, wir hatten ja bereits zwei Jahre verlängert und unsere Kinder können nun perfekt in ihre berufliche Grundausbildung starten.

Was sind beruflich Ihre nächsten Aufgaben?

An der Berufsunteroffiziersschule der Armee (BUSA) in Herisau leite ich das Departement der internationalen Lehrgänge für Unteroffiziere. Eine hochspannende Tätigkeit, in diesen Kursen werden Inhalte wie Kommunikation, Führung, Selbsterkenntnis, Ethik oder das Verständnis für andere Kulturen vermittelt. Die Teilnehmer stammen meist aus 15–20 verschiedenen Ländern. Ich wollte diese Stelle unbedingt, es ist die logische Fortsetzung meiner Tätigkeit in Brüssel.

Vor Ihrem Auslandengagement waren Sie Dirigent der Musikgesellschaft Bazenheid. Ihr Engagement in Flawil nach Ihrer Rückkehr kam nicht zustande, kehren Sie nun als Dirigent zur «Mugeba» zurück?

Das ist etwas speziell, ich wurde von den Mitgliedern der Harmoniemusik Flawil im Dezember 2016 zum neuen Dirigenten gewählt. In den folgenden Monaten stellte sich heraus, dass sich meine Vorstellungen über die Art und Weise der Zusammenarbeit von Dirigent und Vorstand zu sehr von der Vorstellung der Vereinsleitung unterschied. Ich trat anfangs Juni von meinem Vertrag zurück. Trotzdem ist für mich die Rückkehr nach Bazenheid als Dirigent kein Thema.

Auch im Wissen, dass Dirigent Michael Müller im Ja­nuar 2018 sein Amt bei der Musikgesellschaft Bazenheid abgibt?

Ja, die acht Jahre waren eine unbeschreibliche Zeit, aber sie wird nie mehr zurückkommen. Ich spiele als Klarinettist in Bazenheid mit und das gefällt mir gut.

Militärische Laufbahn

  • 1986 Rekrutenschule Spiel Inf RS 7 / Herisau
  • 1987 Unteroffiziersschule und Abverdienen Spiel Inf RS 7 / Heris­au
  • 1988 Spielführerschule und Abverdienen Spiel Inf RS 7 / Herisau
  • 1989 Eintritt ins Bundesamt für Sanität als Instruktionsanwärter
  • 1990 Zentrale Instruktorenschule Herisau
  • 1991–2012 Regionaler Sanitätsinstruktor in diversen Regionen
  • 2013–2017 Führungsgehilfe militärische Repräsentation Brüssel
  • seit 2017 Chef Fachbereich internationale Unteroffiziersausbildung