Bauprojekt
«Massive Eingriffe»: Streit um geschütztes Wohnhaus mit Scheune in Appenzell – Pro Natura schaltet Anwälte ein

Horersjokelis, das Ensemble von Wohnhaus und Scheune im Lehn, soll renoviert, die Stallscheune abgebrochen und doppelt so gross neu aufgebaut werden. Die Pläne liegen derzeit auf. Der Heimatschutz St.Gallen-Appenzell hat schwerwiegende Einwände.

Margrith Widmer
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Blick von Süden auf das Horersjokelis Wohnhaus und die dazugehörige Stallscheune (rechts).

Blick von Süden auf das Horersjokelis Wohnhaus und die dazugehörige Stallscheune (rechts).

Bild: Wikimedia/Schofför

Die Objekte «Horersjokelis Wohnhaus mit Stallscheune» in Appenzell stehen im «Schweizerischen Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung» in der höchsten Schutzklasse A. Das Haus ist seit Jahren unbewohnt, die Scheune ungenutzt. Privatrechtlich liess der frühere Eigentümer im Grundbuch ein Servitut eintragen: Der Heimatschutz SG/AI, die Stiftung Pro Innerrhoden und Pro Natura sollen den Schutz der Liegenschaft gewährleisten.

Dieser Schutz umfass deutlich mehr, als das Gesetz verlangt. Neben einem Bauverbot auf der Liegenschaft sind die Inneneinrichtungen, das «Natursträsschen», Wald, Bach und Wasserfall sowie – die inzwischen gefällten Apfelbäume – aufgeführt. Bauliche Veränderungen sind gestattet, aber der Eigentümer «hat sich an die Weisungen des Heimatschutzes SG/AI zu halten.»

1535 erstmals erwähnt

Kathrin Hilber ist Präsidentin des Heimatschutzes SG/AI.

Kathrin Hilber ist Präsidentin des Heimatschutzes SG/AI.

Bild: Ralph Ribi

Das Bauernhaus, 1535 erwähnt, ist im Buch «Bauernhäuser der Schweiz» und auch in «Kunstdenkmäler der Schweiz» aufgelistet. Ein erster Projektentwurf wurde vom Heimatschutz zur Überarbeitung zurückgewiesen. Auch jetzt ist Kathrin Hilber, die Präsidentin des Heimatschutzes SG/AI, nicht glücklich mit dem Bauprojekt, das den Abbruch und Neubau der Scheune und Eingriffe am Wohnhaus umfasst. In ihrer Stellungnahme weist sie auf die vom Erblasser 1982 geschaffenen Personaldienstbarkeiten mit Bau- und Nutzungsbeschränkungen hin. Darin heisst es unter anderem: «Das bestehende Wohnhaus und die Scheune sind als typisches Appenzeller Gehöft zu erhalten.» Das Projekt sehe nach wie vor einen Umbau des Wohnhauses «mit massiven Eingriffen und einen Abbruch und Neubau des Gadens» vor.

«Es widerspricht damit fundamental dem Grundgedanken und Inhalt der Dienstbarkeiten. Der Heimatschutz St. Gallen-Appenzell Innerrhoden ist mit Pro Natura St. Gallen und der Stiftung Pro Innerrhoden als Dienstbarkeitsnehmer und Vertragspartner verpflichtet, den Willen des Dienstbarkeitserrichters umzusetzen. Bauliche und andere Massnahmen müssen sich im Rahmen der Dienstbarkeitsverträge bewegen. Die in den Plänen vorgesehenen Umbauten, beziehungsweise der Abbruch und Neubau des Gadens, erfüllen diese Anforderungen nicht», schreibt der Heimatschutz SG/AI weiter.

Pferde und Kühe

Nach Absprache mit der Denkmalpflege sei der Neubau der Scheune nach Osten verschoben worden, damit die Scheune dem Wohnhaus den nötigen Freiraum lasse, heisst es im Baugesuch. Eine Bewirtschaftung mit Kühen und Pferden in der angestrebten Form sei «in der baufälligen alten Scheune laut den heutigen Normen nicht möglich». Die Scheune soll zweistöckig werden – im oberen Stockwerk mit einer Garage für zwei Autos.

Zudem ist eine Zufahrtsstrasse vorgesehen. Das Wohnhaus soll «sanft renoviert und nur die für den heutigen Lebensstandard erforderlichen Eingriffe umgesetzt werden». Dazu gehören «die erforderliche Dämmung und der Ersatz der zerfallenden Fassadenteile. Eine Küche und ein Bad nach heutigen Bedürfnissen sollen das Haus bewohnbar machen.» Für die Heizung ist, neben den bestehenden Kachelöfen, eine Wärmepumpe mit Erdsondenbohrung vorgesehen. Wie bisher soll es acht Wohnräume geben. Aussen sind Schindeln aus Fichte vorgesehen. Die Baukosten werden auf rund eine Million Franken veranschlagt.

Selbstbewirtschaftung vorgesehen

Die Schwiegertochter des Eigentümers ist gelernte Landwirtin und besitzt vier Pferde. Sie beginnt am 1. Januar 2023 mit der Selbstbewirtschaftung mit Kräutern, Sträuchern und Futteranbau in der Heimliegenschaft «Stoffleren», Weissbad. Aus den 4,45 Hektaren im Horersjokelis mit vier bis fünf Nutzungen sollen Heu- und Siloballen gewonnen werden. Vorgesehen ist die Haltung von acht Mutterkühen und acht Mutterkuh-Kälbern sowie zwei Pferden. Alle Tiere sollen Auslauf haben. «Die Tierplätze wurden an die Futtergrundlage angepasst». Es sei genügend Futter vorhanden, heisst es im Baugesuch. Die Jauche wird vor Ort verteilt. Luzia Bucheli von der Landwirtschaftlichen Beratung befürwortet das Projekt, zumal keine Aufstockung erfolgen werde.

Die Denkmalpflege stellt dazu fest, es lägen nun bereinigte Projektpläne vor. «Die geplanten Umbaumassnahmen nehmen weitgehend Rücksicht auf die vorhandenen Raumstrukturen.» Sie empfiehlt allerdings, auf den Einbau von «Reduits» (fensterlose Räume) im Esszimmer zu verzichten. Und sie empfiehlt, anstelle von Parkettböden, Riemenböden aus Tannenholz zu verwenden. Historisch und baukünstlerisch relevante Ausstattungen, wie Täfer, Türen oder Einbauten, sollten erhalten bleiben.

Täfer im Original erhalten

Die Aussenwärmedämmung hält die Denkmalpflege für die Seiten- und Rückfassaden für vertretbar, nicht aber für die Hauptfassade. Denn: Die passive Wärmegewinnung der Südfassade sei nicht zu unterschätzen und die tieferen Fensterlaibungen würden das Erscheinungsbild wesentlich verändern. Alternativ wird eine Innendämmung im Brüstungsbereich vorgeschlagen. Das Täfer der Hauptfassade sei nach Möglichkeit in seiner Originalsubstanz «mit allen Details» zu erhalten. Falls eine Restaurierung nicht mehr vertretbar sei, müssten die Bauteile nach dem historischen Vorbild rekonstruiert werden. Falls bestehende Fenster nicht erhalten werden könnten, sei «ein originaler Nachbau mit Holzrahmen vorzusehen».

Die Fachkommission Denkmalpflege wünscht grundsätzlich den Erhalt der bestehenden Scheune, da diese mit dem Bauernhaus «ein einmaliges Ensemble bildet». Die Lage und Grösse der neuen Scheune sei jedoch «der Situation entsprechend vertretbar». Auf Terrainveränderungen und Stützmauern sei möglichst zu verzichten, rät Niklaus Ledergerber, Präsident der Fachkommission Denkmalpflege. Ebenso sollten die befestigten Flächen für die Zufahrt zur Liegenschaft und zum Ökonomiegebäude möglichst gering gehalten werden. Generell sei auf eine sanfte Einbettung in die Topografie zu achten.

Authentizität erhalten

Die Fachkommission Heimatschutz des Kanton Appenzell Innerrhoden ist grundsätzlich einverstanden mit der Kubatur. «Es ist zu bedauern, dass der bestehende Stall seinen Zweck nicht mehr erfüllen kann. Umso wichtiger ist es, dass das Wohnhaus in seiner Authentizität erhalten bleibt und der Freiraum entsprechend gestaltet wird.» Gemäss den Plänen sind das Haus und die Scheune heute ungefähr gleich gross, je etwa tausend Kubikmeter. Die neue Scheune soll mit rund 2000 Kubikmetern doppelt so gross werden.

Die beiden ebenfalls vom Erblasser eingesetzten Garanten für den Erhalt der historischen Liegenschaft – die Stiftung Pro Innerrhoden und Pro Natura – haben sich zum Baugesuch nicht vernehmen lassen. Pro Natura liess auf Anfrage verlauten, es handle sich um ein «laufendes Verfahren», da nun «die Anwälte» eingeschaltet worden seien.