«Normalerweise wird man nach über 30 Dienstjahren bei der Feuerwehr mit Blumen, Blasmusik und vielleicht sogar mit einer Ehrenmitgliedschaft geehrt. Nicht so in meinem Fall, mit mir geschieht eher das Gegenteil.
«Normalerweise wird man nach über 30 Dienstjahren bei der Feuerwehr mit Blumen, Blasmusik und vielleicht sogar mit einer Ehrenmitgliedschaft geehrt. Nicht so in meinem Fall, mit mir geschieht eher das Gegenteil. Alles, was mich – einen Chevrolet Van, Baujahr 1981 – ausmachte, wie etwa der Schlauchausleger, die Atemschutzgeräte und alle anderen Ausrüstungsgegenstände wurden mir weggenommen. Jetzt stehe ich alleine in der Garage im Feuerwehrdepot in Stein und soll an den Höchstbietenden verkauft werden. Es brauche mich nach der Fusion mit der Feuerwehr Nesslau nicht mehr, sagte Christian Rutz, der ehemalige Feuerwehrkommandant von Stein.
Seitdem ich im Jahr 1981 direkt ab Fliessband neu zur Feuerwehr Stein kam, war ich als Ersteinsatzfahrzeug stets zuverlässig an vorderster Front mit dabei. So war ich beispielsweise beim Brand des Kinderheims in Stein oder auch als das grosse Bauernhaus in der Setten abbrannte mit meiner Mannschaft als Erster vor Ort. Bevor ich jedoch diese wichtigen Aufgaben übernehmen konnte, musste ich ausgerüstet werden. Damit alles passte, wurden mir meine Heckflügeltüren entfernt. An deren Stelle wurde ein Rollladen eingebaut. Dies war nötig, damit der Schlauchausleger so schnell wie möglich einsatzbereit war. Auf dem Ausleger sind 360 Meter Schlauch mit einem Durchmesser von 75 Millimetern aufgerollt, mit dem die Feuerwehrleute das Feuer bekämpfen konnten, bis grössere Löschfahrzeuge eintrafen. Zusätzlich dazu hatte ich noch einen 300 Meter langen Schlauch mit einem Durchmesser von 55 Millimetern geladen. Verschiedene Strahlrohre, die je nach der Art der Brandes und des entsprechenden Löschmittels an den Schlauch gekuppelt werden konnten, gehörten ebenso zu meiner Grundausrüstung, wie Schlauchverbindungen und Kupplungen für Wasserhydranten sowie Verteilerkupplungen. Ausserdem gehörten Atemschutzgeräte, welche die Feuerwehrleute, die ich zum Brandplatz fuhr, vor Rauchvergiftungen schützten, zu meiner Ausstattung.
In meiner über dreissigjährigen Dienstzeit bin ich zwar nur etwas mehr als 7000 Kilometer gefahren, dennoch wurde immer alles von mir abverlangt. Denn bei einem Notruf hatte ich nie die Zeit, meinen Motor vorzuwärmen. Es hiess immer gleich von null auf hundert. Dazu kam, dass ich oft nur kurze Strecken zurückzulegen hatte, denn mein Einsatzgebiet war mit einer Fläche von rund zwölf Quadratkilometern nicht sehr gross. Dabei ist ebenfalls zu bedenken, dass ich immer rund vier Tonnen Material mit mir führte und im Maximalfall bis zu neun Feuerwehrleuten Platz bot. Diese Belastung hat der Motor zwar lange mitgemacht, doch ganz spurlos ging sie nicht an ihm vorbei.
Dass man mir mein Alter anmerkt, stellte auch der Experte bei der letzten Inspektion fest. So müsste beispielsweise die ganze Frontpartie ersetzt werden. <Diese müssen wir extra aus den Vereinigten Staaten kommen lassen. Das lohnt sich nicht mehr für den alten Chevi>, sagte Christian Rutz dazu. Auch die Vorderachse müsste dringend erneuert werden. Zwar haben mich die Feuerwehrleute über all die Jahre immer vorbildlich gepflegt. In letzter Zeit habe ich aber bemerkt, dass kleinere Dinge, die zugegebenermassen meine Einsatzfähigkeit in keiner Weise eingeschränkt haben, nicht mehr repariert wurden. Zudem habe ich gehört, wie sich die Leute immer öfters über meinen hohen Benzinverbrauch unterhielten – ein Problem worüber man sich Anfang der Achtzigerjahre noch keine Gedanken gemacht hatte.
Mit der Fusion der beiden Feuerwehren von Nesslau und Stein werden meine Dienste nun nicht mehr benötigt. Nach über 30 Jahren im Einsatz habe ich mir den Ruhestand auch redlich verdient. Dennoch frage ich mich, welche Aufgaben mein künftiger Besitzer oder auch meine Besitzerin für mich vorsieht. In einem bin ich mir aber sicher: So einen Nervenkitzel wie bei der Feuerwehr wird es nicht mehr geben.» Urs M. Hemm