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Appenzellerland
2019 hatte es im Appenzellerland in sich. Die Wählerschaft ist anspruchsvoller geworden, wie zwei Gemeindepräsidenten zu spüren bekamen. Schwer hatten es auch die Frauen in der Politik. Es gab aber politische Entscheide, die Hoffnungen wecken.
Ein ereignisreiches Jahr ist vergangen. Es gab Aufreger, Schreckensmomente und politische Entscheide, die Hoffnungen weckten. Ein wichtiges Thema auch im Appenzellerland war 2019 die Umweltpolitik. Viele Menschen gingen in Ausser- und Innerrhoden auf die Strasse, um griffigere Massnahmen gegen den Klimawandel und seine Folgen wie etwa extreme Wettersituationen zu fordern. Welch zerstörerische Kraft darin stecken kann, führte eines der prägendsten regionalen Ereignisse vor Augen: der Lawinenniedergang auf der Schwägalp.
Der politische Aufreger des Jahres war die Abwahl von Renzo Andreani als Gemeindepräsident von Herisau. Während die in Bühler ebenfalls abgestrafte Inge Schmid seit Jahren um das politische Überleben kämpfte, kam das Aus für Andreani gegen einen No-Name-Kandidaten überraschend. Der SVP-Politiker musste auch für Versäumnisse seiner Vorgänger teuer bezahlen. Die Abwahl machte jedoch deutlich, dass die Wählerschaft anspruchsvoller geworden ist. In Zeiten grosser Umbrüche reicht vielen eine verwaltete Gemeinde nicht mehr. Sie wünschen sich Politiker, die bereit sind, mutig die Zukunft zu gestalten. Die Wähler wollen zudem involviert werden. Diese Lektion lernten die Behörden in Herisau rasch. Bei der heiklen Abstimmung über den Gestaltungsplan für den Bahnhof setzten sich Politiker aller Couleur für die Sachvorlage ein. Gar ein Pro-Komitee wurde ins Leben gerufen – eine Seltenheit im Appenzellerland.
Der Bahnhof Herisau gilt zu Recht als eines der wichtigsten Entwicklungsprojekte in Ausserrhoden. Die entscheidende kantonale Abstimmung über das vorgelagerte Strassenprojekt steht noch bevor. Vorder- und Mittelländer Politiker müssen in ihrer Region für das Grossprojekt werben. Gefordert sind sie darüber hinaus: 2019 hat die politische Dominanz des Hinterlands einen Höhepunkt erreicht. In der finanzschwächsten Region sind unter anderem alle Mitglieder der Regierung zu Hause. Dies aber dem Hinterland zum Vorwurf zu machen, ist falsch. Es liegt an den Politikern in Teufen oder Heiden, selbstbewusster für ihre Region einzustehen.
Doch wie wichtig sind regionale Befindlichkeiten heutzutage? Weniger als auch schon. Diese vollständig zu ignorieren, wäre aber ein Fehler. Wie rasch die Stimmung umschlagen kann, zeigen die Diskussionen um die Finanzausgleichszahlungen. Solche für den Zusammenhalt im Kanton gefährliche Debatten können immer wieder ausgelöst werden. Denn Sachgeschäfte, bei denen eine Opfersymmetrie unter den Gemeinden unmöglich ist, sind so sicher wie das Amen in der Kirche. Wer sich benachteiligt fühlt, ist weniger bereit, eine Aufgabe für alle im Kanton zu übernehmen. Ein Paradebeispiel für eine Herausforderung, die sich am besten zentral bewältigen lässt, ist die Asylpolitik. Es ist aus Sicherheitsgründen wenig sinnvoll, Flüchtlinge auf alle Gemeinden zu verteilen.
Dass es nicht immer ein Segen ist, dass im Appenzellerland die Uhren häufig anders ticken als im Rest des Landes, bewies das Thema «Frauen in der Politik». Im Jahr, als sich zum 30. Mal die Einführung des Frauenstimmrechts in Ausserrhoden jährte, war es für die Politikerinnen weiterhin nicht einfach. Das Ausserrhoder Kantonsparlament ist nach den Gesamterneuerungswahlen zwar weiblicher, Regierungsrat und Bundesvertretung sind aber Männerbastionen geblieben. Noch düsterer sah es für die Innerrhoderinnen aus. Nach den Grossratswahlen sank der Frauenanteil im Parlament gar. Statthalterin Antonia Fässler hatte bei den Nationalratswahlen nicht den Hauch einer Chance. Bei der Erneuerung der Standeskommission spielten die Frauen ebenfalls keine Rolle. Nicht eine einzige Politikerin kandidierte. Die fehlende Auswahl war den Innerrhodern nicht einmal eine Diskussion wert. Dass es für Politikerinnen noch immer schwierig ist, Beachtung zu finden, entlockte vielen höchstens ein Schulterzucken.
2019 hat dennoch Hoffnungen geweckt. Das neue Ausserrhoder Regierungsprogramm ist für einmal ehrgeizig. Die Regierung möchte Ausserrhoden zum besten Wohnkanton der Ostschweiz machen. Die Verfassungskommission verstärkt mit ihren Vorschlägen die Aufbruchstimmung. Auch in Innerrhoden tut sich etwas: Schwende und Rüte haben mit ihrem Ja in der Grundsatzabstimmung die Basis für eine Bezirksfusion gelegt – diese könnte zum Vorbild für weitere notwendige Zusammenschlüsse im Appenzellerland werden. Zudem überdenkt die Standeskommission den Spitalneubau und scheint so langsam zur Vernunft zu kommen. Es ist zu hoffen, dass sie aus den Fehlern des Nachbarkantons St.Gallen lernt.
Allen Politikerinnen und Politikern sowie Leserinnen und Lesern wünsche ich im Namen der Redaktion einen guten Rutsch ins neue Jahr und den Mut, nicht immer den Weg des geringsten Widerstands einzuschlagen.