Appenzeller Vorderland
Eine Frau mit Ecken und Kanten: Besenbeizerin Hilda Wirth zum Gedenken

Die Besenbeiz im Hexenhaus am Witzwanderweg im Appenzeller Vorderland wird schmerzlich vermisst. Eröffnet und betrieben wurde der beliebte Treffpunkt von Hilda Wirth-Rickenbacher, die am 8. April verstorben ist. Als vielseitig engagierte Frau mit Ecken und Kanten bleibt sie unvergessen

Peter Eggenberger
Drucken
Hilda Wirth (1938–2021)

Hilda Wirth (1938–2021)

Bild: PE

Was für ein idyllisches Plätzchen, und was für eine originelle Wirtin», lautete der Kommentar vieler Gäste, die im Weiler Högli am Witzweg eine Rast einlegten. Im uralten Haus wohnte einst Anna Lutz-Stähelin, die von ihren Nachbarn als Hexe verunglimpft wurde. Im Jahr 1641 wurde sie im Gerichtsort Trogen gefoltert, geköpft und verbrannt. Eine düstere Geschichte, die Hilda Wirth jeweils ihren Gästen erzählte und am Schluss lachend erklärte: «Heute bin ich die Hexe!»

Aus der Zentralschweiz stammend

1938 im Kanton Schwyz geboren, absolvierte Hilda Wirth eine Servicelehre und lernte so das Gastgewerbe von Grund auf kennen. Nach der beruflichen Tätigkeit und dem Besuch einer Handelsschule heiratete sie den Arzt Ueli Wirth, der im Aargau eine Praxis führte. 1984 erwarb das Ehepaar das rund 400 Jahre alte Hexenhaus im Högli, das in der Folge stilgerecht restauriert und später zum festen Wohnsitz wurde. Hilda Wirth engagierte sich als Präsidentin des örtlichen Krankenpflegevereins, und war massgeblich am Anschluss an die Spitex-Organisation Vorderland beteiligt. Aktiv war sie ferner in der Kulturkommission.

Der Anfang der 1990er-Jahre ausgebrochene Krieg in Jugoslawien und das damit verbundene Elend der Bevölkerung liess Hilda Wirth handeln. Mit Gleichgesinnten sammelte sie Hilfsgüter, die ins kroatische Zupanja transportiert wurden. Die engagierte Frau begleitete rund 50 Lastwagenfahrten und begab sich damit immer wieder in Lebensgefahr. Später beherbergte sie in ihrem Haus Flüchtlinge aus Ostafrika.

Als Witwe Wirtin geworden

Nach dem Tod ihres Gatten Ueli im Jahr 2001 eröffnete sie kurzentschlossen die Besenbeiz Zur Schitterbiig. Damit erfüllte sie eine wichtige Funktion, gab es doch am vielbegangenen Witzweg zwischen Heiden, Wolfhalden und Walzenhausen immer weniger Einkehrmöglichkeiten. Hilda Wirths direkte Art, ihre Schlagfertigkeit und ihr trockener Humor wurden geschätzt, und auch das kleine Angebot aus Küche und Keller fand guten Anklang. Einheimische suchten die mit Herzblut geführte Besenbeiz ebenfalls gerne auf, und die Lesegesellschaft Aussertobel führte eine ganze Reihe von Treffen durch.

2017 entschloss sich Hilda Wirth schweren Herzens für die Schliessung ihrer Besenbeiz. Gründe waren das vorgerückte Alter und die damit verbundenen gesundheitlichen Beschwerden. Das verwinkelte Haus mit seinen Schwellen und Treppen wurde mehr und mehr zur Last. Vor einem guten Jahr zog sie in ein Altersheim im aargauischen Zofingen, wo sie nun – kurz nach Ostern – friedlich einschlafen durfte.