Rosa Homberger aus Gais feiert am Sonntag ihren 106. Geburtstag. Ein Besuch bei der ältesten Ausserrhoderin.
Es ist ein stolzes Alter: Am Sonntag feiert Rosa Homberger aus Gais ihren 106. Geburtstag. Verifiziert ist es nicht, da es weder Gemeinde noch Kanton bestätigen, doch es ist davon auszugehen, dass Homberger die älteste Ausserrhoderin ist. Sie lebt mitten im Zentrum der Mittelländer Gemeinde, in der Nachbarwohnung zu ihrer Tochter Susanne und ihrem Schwiegersohn. Heizt dieser den Kachelofen in dessen Wohnzimmer an, macht es sich Rosa Homberger dort gerne gemütlich.
Es ist auch der Platz, an welchem sie während des Besuchs dieser Zeitung zu finden ist. Susanne Veser legt den Arm um die Schultern ihrer Mutter. «Wir nehmen wie es kommt, gell», sagt sie. Gemeint ist damit der Gesundheitszustand der bald 106-Jährigen. Dieser hat sich verschlechtert. Mit 103 Jahren ging sie noch wandern und spielte mit ihren zehn Urenkeln, die sie liebevoll «Bobelis» nennt. Susanne Veser zeigt Videos, wie Rosa Homberger mit den Kleinen Verse übt und Lieder singt. «Das hatte sie immer gerne gemacht.» Doch seit vergangenem Dezember merkt Veser wie die Kräfte ihrer Mutter nachlassen. Jene erkenne nicht mehr alle Familienmitglieder wieder, für Spaziergänge sei sie mittlerweile zu schwach und generell werde sie immer ruhiger. Doch es gebe sie noch, die Momente, wo Susanne zusammen mit ihrer Mutter singen, Gemüse schneiden oder auch Ball spielen kann. «Unser Rekord liegt bei 20 Mal hin- und herwerfen.»
Das hohe Alter liegt väterlicherseits in der Familie von Rosa Homberger. Dort seien alle über 90 Jahre alt geworden. Für die damalige Zeit ein hohes Alter. «Damals», bei diesem Begriff kommt Tochter Susanne ins Grübeln. «Meine Mutter wurde geboren, als in Russland der letzte Zar noch regierte.» Sie hält inne. «Die Welt war damals eine ganz andere.» Rosa Homberger hatte in ihrer Kindheit kein Radio. Als ihr Götti ein Grammophon mit nach Hause brachte, behauptete sie steif und fest, dass jemand im Keller jodle. Ein Auto war damals eine Sensation in der Nachbarschaft, die Kinder kamen auf die Strasse geeilt, um es zu bestaunen, und gekocht wurde im heimischen Kachelofen. Rosas Vater war Pöstler, verteilte die Pakete und Briefe mittels Postwagen, ihre Tante arbeitete bei der PTT und «stöpselte» jeden Sonntag die Verbindungen ein. «Heute ist das Leben von damals kaum mehr vorstellbar. Aber meine Mutter ist so aufgewachsen. Für sie war das alles Realität.»
Rosa Homberger kam 1917 in Winterthur zur Welt. Nach der Schulzeit ging sie als Au-Pair nach England. Geplant war der Aufenthalt für die Dauer von einem Jahr. Geworden sind es zehn. Denn bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs riet ihr die Schweizer Botschaft, nicht nach Hause in die Schweiz zu reisen, sondern auf der Insel zu bleiben. Dort leistete Homberger Militärdienst respektive war für den Materialnachschub verantwortlich. Nach dem Krieg kehrte sie nach Zürich zurück, absolvierte eine Lehre zur Kinderkrankenschwester - und lernte ihren späteren Mann Robert Homberger kennen. Er war ein Hotelier, der für eine Schweizer Familie in Argentinien ein Gasthaus betrieb. Rosa reiste ihm kurzerhand nach Südamerika nach, blieb, heiratete, zwei Kinder krönten das Glück. 1959 kehrte die Familie in die Schweiz zurück, seit mittlerweile 30 Jahren wohnt Rosa Homberger nun in Gais.
Am Sonntag feiert sie dort ihren 106. Geburtstag. Gemäss Susanne Veser wird es ein ruhiges Fest mit einigen Gästen. «Die grosse Feier hatten wir zum 100. gehabt. Jetzt schalten wir einen Gang runter.»