Aargauer Gewerbeverband
Plädoyer für Lehrberufe: Gegen den Fachkräftemangel will Giezendanner «weniger Master, mehr Meister»

Das Neujahrsapéro des Aargauischen Gewerbeverbandes fand zum ersten Mal seit 2020 statt. Die Coronasorgen sind versiegt, bestehen bleiben jedoch die Herausforderungen des Fachkräftemangels, wie Präsident Benjamin Giezendanner betont. Besonders geehrt wurden deshalb auch die Top-Lehrlinge aus dem Kanton.

Jocelyn Daloz
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Die Halle des Kultur- und Kongresshauses Aarau füllt sich allmählich. Gewerbler in Anzügen, graue Haare, Unternehmerinnen in edlen Jacketten und Lederstiefeln. Ein junger Mann stimmt Frank Sinatras «Fly Me To The Moon» auf das Klavier ein. Noch wird kein Alkohol serviert, lediglich Süessmost und Mineral.

«Willkommen am Neujahrsapéro 2023!» steht in typischem Gewerbeverbandsblau auf dem Bildschirm. Zum ersten Mal seit 2020 kann der Aargauische Gewerbeverband seine Einstimmung ins neue Jahr durchführen.

Präsident Benjamin Giezendanner steigt aufs Podest und eröffnet den Abend mit kräftiger Stimme.

Optimismus das Motto am Neujahrsapéro

Erfreulicherweise habe sich der Ukraine-Krieg und die steigenden Energiepreise kaum auf die Auftragslage der Unternehmen ausgewirkt, wie eine Umfrage des Gewerbeverbandes zeige. Die meisten Gewerbler zeigten sich zuversichtlich für das kommende Jahr, trotz der unsicheren wirtschaftlichen Grosswetterlage, die Robin Wasser in seiner kurzen Anrede schildert. Der Leiter Firmenkunden bei der Credit Suisse (die den Abend sponsert) spricht von den wenig optimistischen Prognosen der meisten Bankökonomen und der KOF für das Jahr 2023, bekundet aber seinen Optimismus für die Schweizer Wirtschaft.

Motto Optimismus! Das könnte schon der Schlusspunkt seiner eigenen Rede sein, witzelt Giezendanner.

Dennoch «wäre er nicht der Giezendanner», wenn er nicht auch kritische Aspekte der Umfrage ansprechen würde: Was die KMU nach wie vor stark beschäftigt, nebst dem stets hohen administrativem Aufwand, ist der Fachkräftemangel. Da seien griffige Massnahmen und zügiges Handeln gefordert, meint der Gewerbeverbandspräsident. Bis 2050 fehlen der Schweiz 1,3 Millionen Arbeitskräfte.

11 junge Talente auf der Bühne

Da der Fachkräftemangel dermassen im Zentrum des diesjährigen Neujahrsapéros steht, sei die Ehrung der an den World und Swiss Skills ausgezeichneten Lernenden umso wichtiger, bekräftigt Geschäftsführer Urs Widmer. Zwölf junge Fachprofessionnelle aus dem Aargau erhielten im vergangenen Jahr eine Medaille, acht Mal Gold an den Swiss Skills, zweimal Bronze, einmal Silber und einmal Gold an den World Skills 2022.

Diese Aargauer Lernende haben 2022 bei den Swissskills eine Goldmedaille gewonnen.

Diese Aargauer Lernende haben 2022 bei den Swissskills eine Goldmedaille gewonnen.

Alex Spichale
Diese Aargauer Lernende haben 2022 bei den World Skills Medaillen gewonnen.

Diese Aargauer Lernende haben 2022 bei den World Skills Medaillen gewonnen. 

Alex Spichale

Diese verheissungsvollen Aargauerinnen und Aargauer ehren AGV-Vizepräsidenten Andreas Meier und Hans R. Schibli mit einem goldenen Hammer. Von Andreas Meier befragt, sorgen diese jungen Menschen mit ihrer lustvollen Attitüde für manches Schmunzeln unter den Gewerblern.

Eine gezielte Immigration für das Gewerbe

Doch bloss mit dem Motto «Weniger Master, mehr Meister», den Benjamin Giezendanner bereits an der vergangenen Delegiertenversammlung aussprach, ist es noch nicht getan. Der Verbandspräsident legt deshalb weitere Vorschläge vor, wie man den Fachkräftemangel bekämpfen könnte. Die Personenfreizügigkeit sei nicht die Lösung, donnert der SVP-Nationalrat und Ständeratskandidat. Diese bevorteile vor allem Grossunternehmen, deshalb braucht es eine Kontingentierung, die auch dem Gewerbe zugutekommt.

Darüber hinaus brauche es eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gerade für Frauen. Diese soll jedoch nicht staatlich vorgegeben sein, sondern von jeder Unternehmerin und jedem Unternehmer angeboten werden. Der Abbau von Fehlanreizen (damit gemeint ist die Heiratsstrafe) bei den Steuern sollen ebenfalls abgeschafft werden, während die Arbeitsmarktfähigkeit älterer Arbeitnehmenden besser erhalten werden soll. Damit diese gar sogar über die Pension hinaus weiter arbeiten, fordert Giezendanner.

Mit Andreas Meier ein weiteres Präsidiumsmitglied im Nationalrat

Der AGV wird alle Probleme nicht selbstständig lösen können. Der SVP-Politiker freut sich deshalb auf eine bessere Vertretung auf Bundesebene dank dem am Morgen verkündeten Nachrutschen von AGV-Vize Andreas Meier für Ruth Humbel im Nationalrat. Auch ermutigt Giezendanner die beiden anwesenden Regierungsräte, Bildungsdirektor Alex Hürzeler und Landammann und Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati, sich vermehrt für die Anliegen der Gewerbler einzusetzen.

Und jetzt Zeit für das Apéro, mit dem traditionellen Dreikönigskuchen. Wer in eine kleine Königsfigur hineinbeisst, darf sogar zwei Flaschen Aargauer Wein mit nach Hause nehmen.